CATT

November 2020 Interview und Debüt-Album

Was haben Judith Holofernes, Sarah Connor, Alin Coen, Niels Frevert, Balbina, Max Herre, Kat Frankie, Tara Nome Doyle, Julia Engelmann, die Lochis oder das Filmorchester Babelsberg gemeinsam? Nun – sie haben alle schon mal in der einen oder anderen Form von den Fähigkeiten der studierten Musikproduzentin, Multiinstrumentalistin und nun auch Songwriterin Catharina Schorling profitiert, die im Sommer letzten Jahres bereits das bemerkenswerte Mini-Album „Moon“ unter dem Projektnamen Catt veröffentlichte und nun, mit dem Debüt-Album „Why, Why“ von Berlin aus mit ihren poetisch ausgekleideten, originellen Pop-Jazz-Soul-Freistil-Balladen die Songwriter-Szene mächtig aufmischen dürfte. Und das mit einem bemerkenswert einzigartigen Konzept, denn auf der Bühne wie auch im Studio agiert Catt (bislang) fast vollständig alleine. Sie schreibt also nicht nur ihre Songs selbst ein, sondern spielt alle Stimmen und Instrumente (darunter auch Blasinstrumente und selbst fabrizierte Beats) selber ein, arrangiert und produziert selber und erfand dabei letztlich ein sich allen gängigen Kategorien entziehendes, einzigartiges Sub-Genre.

Wie sieht Catt denn selbst den Unterschied zwischen den – noch ziemlich jazzigen – Songs von Moon und den brillant ausformulierten, poppigeren Tracks des Debüt-Albums? „Gute Frage“, meint Catt, „ich glaube der Hauptunterschied für mich war, dass 'Moon' mein erster Versuch war, selber zu produzieren und die ersten Songs enthielt, die ich jemals geschrieben habe. Ich hatte damals beschlossen, mich da mal ranzuwagen und ganz minimalistisch heranzutasten. Damals kam ich ja noch frisch aus dem Studium und hatte viel Jazz gemacht – vielleicht sind die Songs deswegen noch ein wenig komplexer in der Struktur. Ich probierte damals verschiedene Richtungen aus. Das 'verschlängelt' sich dann so alles ein wenig. Jetzt war ich durch ein Stipendium der Roger Willemsen Stiftung in der Lage, zwei Monate lang nichts anderes zu machen, als mal zu gucken, auf welche Ideen ich wohl komme. Und das war das erste Mal, dass ich mich ganz bewusst der Musik zuwenden konnte. Warum die Songs ein wenig poppiger geworden sind, das weiß ich gar nicht. Ich bin immer nach dem gegangen, was kam und habe versucht, immer mehr das herauszuschälen, was ich sagen möchte. Ich war auf das fokussiert, was mir wichtig war und was die Essenz eines Songs ausmacht.“

Dabei hat Catt auch ein ganz einzigartiges Sounddesign entwickelt. „Ja, das liegt daran, dass ich auf jeden Fall mehr herumexperimentiert habe“, überlegt sie, „es gibt mehr verschiedene Sounds oder habe mir überlegt, wie ich mit dem Beat umgehen könnte. Ich war ja in einem Gartenhaus und nicht in einem professionellen Tonstudio und musste mich auf die Instrumente verlassen, die ich da hatte. Da habe ich dann zum Beispiel einen Beat mit einem Besen gemacht oder auf den Schreibtisch geschlagen oder verrückte Stimmeffekte gemacht.“

Auf „Why, Why“ sind Catt einige wirklich schöne Texte gelungen – unter anderem deshalb, weil sie auf elegante Art philosophische Fragen und persönliche Empfindungen in einem poetischen Umfeld zusammenfasst. Darf man davon ausgehen, dass Catt also ihre Musik um diese Texte herum konstruiert? „Ich glaube, ich treffe viele Entscheidungen von der musikalischen Seite her“, überlegt Catt, „aber tatsächlich war das Einzige, was ich vor diesen Sessions schon fertig hatte, Texte waren. Ich hatte in den Monaten vorher – auch wenn ich auf Tour war – mit immer alles aufgeschrieben, wenn mir was eingefallen war, wenn mich etwas berührt hat oder wenn mir etwas wichtig erschien. Und bin dann mit einer Textsammlung zu den Sessions gefahren und habe dann – meistens aus dem Gefühl, was zu dem Tag passen könnte – einen Text hervorgeholt der mir wichtig war und den ich gerne beleuchten wollte. Und deswegen ist schon oftmals etwas auf einer Grund-Text-Idee entstanden und dass ich erst dann überlegt habe, wie das klingt und welche Musik dazu passen könnte. Meistens war tatsächlich das Grundgefühl eine Message oder ein inhaltliches Gefühl, was dem zugrunde liegt. Deswegen sind die Texte mir auch sehr wichtig, selbst wenn sie nicht immer so geradlinig sind. Selbst wenn die Texte abstrakt wirken, sind sie sehr klar gemeint.“

Dabei gelingen Catt auch coole Songtitel, die oft nur auf einen einzigen Begriff wie „Again“, „Rain“, „Shades“ oder „Surface“ verdichtet wurden. Sind das die Botschaften oder Empfindungen, auf denen dann Catts Songs dann basieren und geht es dann darum, diese von allen Seiten zu beleuchten? „Ich glaube, den Songtitel suche ich eher immer danach“, zögert Catt, „aber ich kann mir schon vorstellen, dass das Thema dem so zugrunde liegt, dass ich danach auch immer gucke, was eigentlich der Kern ist. Und oftmals ist der Kern das Thema, dass ich wollte. Es kann richtig gut sein, dass es unterbewusst immer mein Vorhaben ist, dass – wenn mich ein Thema berührt – ich mir überlege, wie man das noch anschauen könnte oder wie man das in einem Gefühl – was ja ein Song ist – zugänglich machen könnte. Es schichtet sich also schon alles irgendwie um die Songtitel.“

Letztendlich führt dieser Ansatz dazu, dass Catt's Musik ziemlich einzigartig ist – eben weil es keine direkten Vergleichsmöglichkeiten für das Gesamtkonzept gibt. War das vielleicht sogar auch Catt's Ziel – etwas Einzigartiges zu machen? „Ich glaube ich habe gar nicht so doll darüber nachgedacht, bevor ich angefangen habe“, räumt sie ein, „ich habe sozusagen viele Geschenke mitbekommen – zum Beispiel, dass mich meine Eltern in den Posaunenchor geholt haben. Ich kann verschiedene Instrumente spielen. Ich war früher in der Klassik. Ich habe mich für Jazz interessiert und dann in verschiedensten Bands gespielt. Es gibt ganz viele bunte Einflüsse und ich glaube, dass es sich ziemlich organisch dahin entwickelt, dass ich jetzt lustige neue Mischungen daraus machen kann. Was mir aber von Anfang an bewusst war, war dass ich eine eigene musikalische Sprache sprechen will - und ich glaube schon, dass sich das musikalisch schon irgendwie so manifestiert hat, dass ich einen eigenen Sound erschaffen wollte.“

Hat es dabei vielleicht sogar geholfen, dass Catt das Klavier als Hauptinstrument benutzt und nicht eine Gitarre – mit der ja nun schon so ziemlich alles, was ausprobiert werden kann auch ausprobiert worden ist? „Das ist ein interessanter Gedanke“, überlegt Catt, „es kommt aber vielleicht auch darauf an, wie man mit seinem Instrument umgeht. Es gibt ja auch Gitarristen wie José Gonzales oder Ben Howard, die eigene Stile entwickelt haben. Aber vielleicht sind die ja auch schon alle dagewesen? Ich weiß es nicht. Und ob es beim Klavier eigene Spielarten geben kann? Ich glaube, da ich oft melodiebegleitend spiele und nicht nur Akkorde spiele und somit die Begleitung der Melodie unterordne passiert vielleicht ein bisschen mehr. Und da die Melodien ja aus mir herausfließen, passiert vielleicht sogar etwas Einzigartiges. Ich kann das aber nicht so richtig in Worte fassen. Ich sehe das selber gar nicht so wirklich – deswegen ist das interessant, dass Du das von außen sagst.“

Nun ja – man muss ja auch auf seine Instinkte hören. „Genau“, bestätigt Catt, „ich habe natürlich nicht bewusst versucht, etwas Einzigartiges zu spielen, sondern ich habe ja vor allen Dingen versucht, das zu spielen, was sich gut anfühlt und was mir gefällt. Es ging nie darum, irgendwelche Referenzen zu hören und zu denken, 'jetzt könnte ich heute ja mal einen Song machen, der an dieses und jenes angelehnt ist'. Das kann man natürlich auch mal machen – aber ich habe tatsächlich das gemacht, was mir spontan eingefallen ist weil ich mir dachte, dass es dann auch eine Daseinsberechtigung hat, wenn es mir gefällt.“

Es geht Catt also nicht darum, irgendwelchen Erwartungshaltungen zu entsprechen. „Genau“, bestätigt sie, „davon möchte ich mich weitestgehend mit meiner eigenen Musik von fernzuhalten - und zwar deswegen, weil ich bei der Musik, die ich selber gerne mag, immer das Gefühl habe, dass da keine Verkaufsintention dahinter steckt, sondern das Bedürfnis, diesen Song unbedingt so schreiben zu wollen. Und ich möchte unbedingt, dass mir das für meine Musik erhalten bleibt. Deswegen habe ich mich vielleicht auch am Anfang so gesträubt, andere mit da ranzulassen.“

Nachdem sie jetzt ihren weg gefunden zu haben scheint: Wie stellt sich Catt denn die kreative Zukunft vor? „Ich finde es immer toll, wenn auch etabliertere Künstler immer mal wieder etwas Neues ausprobieren“, überlegt Catt, „denn ich frage mich auch immer, wie lange man das wohl so machen kann und wie lang man diesen motivierten Funken hat, etwas erschaffen zu wollen und sich wieder neu zu entwickeln und sich noch mal einer Unwissenheit hinzugeben. Kann das ein Leben lang bleiben, dass man Lust hat, kreativ zu sein?“ Na ja, wenn man sich Altmeister wie Bob Dylan anhört, dann scheint das doch wahrscheinlich zu sein. Heutzutage braucht man einfach nicht mehr mit 60 anzufangen, Blues zu spielen. „Obwohl man manchem Künstler ja eine Blues Platte eher verzeihen würde, als das, was sie stattdessen machen“, philosophiert Catt, „ich weiß nicht, ob Du verfolgst, was Sting gerade so macht – irgendwelche Aktionen mit Shaggy oder so. Da frage ich mich ernsthaft – weil mich das wirklich interessiert: 'Bist Du eigentlich innerlich tot – oder ist das Deine Art zu experimentieren'? Ich spüre da nämlich diesen speziellen Funken nicht.“

Catt bezeichnet sich ja als Pop-Musikerin im weitesten Sinne – wobei ihr ja die Songs wichtiger sind, als ein Label oder ein Format. Was ist denn von der aktuellen Situation in der Popmusik zu halten, bei der nicht der Song, sondern die Person, die sich mittels der Musik darstellt, im Zentrum steht? „Generell finde ich das krank“, überlegt Catt, „weil diese Art von Außenproduktion für diese Person nicht gesund ist, die so ja keinerlei Freiheiten mehr hat. Das ist so ein kapitalistisches Outcome, das ich persönlich eher meiden wollen würde. Generell finde ich das nicht so toll, wenn es nicht aus der Musik heraus und dem, was die Person sagen will, entsteht, sondern stattdessen die Person selbst so überhöht wird, dass sie dem langfristig in der Öffentlichkeit gar nicht gerecht werden kann. Wenn sie nicht stark genug ist, sich da rauszuziehen oder kein gutes Umfeld hat, dann endet sowas halt nicht gut. Dann landet man in der Drogensucht, einer Depression oder mit einer Essstörung. Hinzu kommt noch, dass sich die Musik – selbst unterschiedlicher Künstler – dann oft ähnlich anhört und dann geht es nur noch um Produkte – was ich dann schon traurig finde.“

Was macht Catt eigentlich am meisten Spaß „Am meisten Spaß macht, wenn man einen Song mit auf die Bühne nimmt und man merkt, dass dieser Song – dem man sich dann ja auch hingibt – etwas mit einem Raum anstellt und eine Reaktion zurück kommt. Und wenn man mit der Musik, die man sich irgendwann ein Mal ausgedacht hat, live eine ganz andere Energie entstehen lassen kann. Das muss nicht mal jemand aussprechen, aber wenn man das fühlt, ist es das Schönste. Das ist dann einfach magisch.“

Na dann wollen wir aber wirklich mal hoffen, dass das Ganze irgendwann mal wieder ohne Einschränkungen möglich sein wird – denn eine Live-Performance von Catt ist dann nicht nur für sie selbst, sondern auch die Zuschauer magisch.

Words: Ullrich Maurer

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