GIANT ROOKS

September 2020 Interview

Bereits in der letzten Road-Tracks-Ausgabe standen uns die Giant Rooks aus Hamm in Westfalen Rede und Antwort. Damals standen sie noch auf dem Sprung zu einer beispiellosen Karriere, die im Folgenden nicht nur dazu führte, dass die Jungs mit Tracks wie „Watershed“ solide Hits einfahren konnten und nun endlich auch ihr lang ersehntes Debüt-Album „Rookery“ veröffentlicht haben, sondern vor allen Dingen dazu, dass sie sich durch unermüdliches Live-Spielen zu einem der angesagtesten Acts auf diesem Sektor entwickelt haben. Heutzutage spielen die Jungs, die dereinst auf der Mini-Bühne des Orange Blossom Festivals starteten, die größten Festivals, Hallen und Stadien – und können auch im Ausland (in England etwa) auf eine stetig wachsende Gefolgschaft zählen.

Angesichts dieses phänomenalen Aufstiegs der Giant Rooks stellt sich vielleicht die Frage, was die Jungs denn tun, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren? „Diese Frage stellt sich für uns gar nicht“, widerspricht Finn, „es besteht auch gar nicht die Gefahr, dass wir die Bodenhaftung verlieren könnten, weil wir uns um solche Sachen gar nicht kümmern. Was uns interessiert, ist unsere Musik – da haben wir gar keine Zeit uns Gedanken zu machen, dass wir abheben könnten.“ Nun gibt es ja genügend Beispiele für solche Phänomene. Als z.B. Annenmaykantereit weiland – wie die Giant Rooks – zum letzten Mal beim Orange Blossom Festival aufspielten, reisten die Musiker im Nightliner an, grenzten sich von den Fans ab, liefen mit eigener Technik-Crew und Security an. „Ja, aber da muss man ja sehen, dass es bei Annenmaykantereit diesen Riesen-Hype gab und die jetzt so populär sind, dass es vielleicht vereinzelt Leute geben könnte, die ihnen wirklich etwas Böses wollen“, wirft Finn ein, „man sollte vorsichtig sein, mit solchen Vermutungen über das 'Abgehoben-Sein', weil man nie weiß, was genau dahintersteckt.“ Wenn man eine Scheibe wie „Rookery“ auflegt, bekommt man ja gewöhnlicherweise nur noch Lob zu hören, oder? „Ja, aber es gibt da durchaus noch einen Kumpel, der uns hin und wieder sagt, wenn ihm etwas nicht gefällt oder wenn etwas seiner Meinung nach nicht stimmt“, meint Fred, „und das kann ziemlich hilfreich sein.“

Einen Plan B. gibt es für die Jungs vermutlich gar nicht mehr? „Nein – für uns war es immer klar, dass wir Musiker sein wollten“, bestätigt Finn diese Vermutung. „Ich wollte auch immer Musiker werden“, pflichtet Fred bei, „das war mir immer klar. Ich habe mir früher überlegt, ob ich nicht so etwas machen könnte, wie Filmmusik zu komponieren. Aber das hat sich ja jetzt erledigt.“ „Ich hatte mal überlegt zu studieren – aber das war nur eine Überlegung für den Fall, dass nicht alles gekommen wäre, wie es jetzt gekommen ist“, ergänzt Finn. Einen Plan A für die eigene Karriere gab es aber doch schon, oder? „Ja, wir haben schon sehr viel geplant“, bestätigt Finn, „das ist für uns immer wichtig, uns Ziele und Pläne zu setzen. Wir versuchen dann, diese Ziele zu verwirklichen. Schon vor fünf Jahren war uns bewusst, dass wir ein Debütalbum schreiben und aufnehmen wollten, dass aber damals noch nicht der Zeitpunkt dafür war. Es war damals gar nicht so, dass wir nicht genug Material gehabt hätten, aber wir wollten noch warten, bis wir bessere Songwriter geworden wären. Wir wollten uns auch über das Live-Spielen noch entwickeln.“

Finn ist übrigens bei den Giant Rooks für die Texte verantwortlich. Da muss die Frage sein, worüber die Giant Rooks eigentlich letztlich singen, denn sehr konkret werden die Texte ja eigentlich nie. Stattdessen scheinen sich die Jungs mit metaphorischer Hingabe den großen Fragen des Lebens zu widmen. „Ich würde nicht direkt sagen, dass unsere Texte nicht konkret sind“, überlegt Finn, „manchmal mögen wir es einfach, Freiräume zu lassen – das heißt aber nicht, dass wir uns nichts dabei gedacht haben. Auf dem Album haben wir uns nun uns ganz viele Fragen gestellt. Es ist uns aber eigentlich erst während des Schreibprozesses klar geworden, dass diese Thematik sich wiederholt. Wir wollen schon Song für Song gute Geschichten erzählen. Teilweise ist es autobiographisch, teilweise von einem Film oder einem Buch inspiriert oder sogar auch ausgedacht. Was wir festgestellt haben, ist, dass wir auf diesem Album nach Orientierung suchen, Fragen stellen und versuchen, uns in Richtung der Antworten zu entwickeln.“ Ein philosophischer Ansatz also. Dabei kommt es auf die Antworten zu den Fragen doch gar nicht so an, oder? Es geht doch eher darum, die richtigen Fragen zu stellen. „Ja, es ist vielleicht schon philosophisch“, bestätigt Finn, „es ist aber auch politisch. Der Song 'Silence' ist vielleicht der politischste Song auf dem Album. Das ist ein wütender Song und beschäftigt sich mit dem eigenen Schweigen – wenn man etwas hätte sagen können. Und der Song 'Watershed' handelt von der Klima Krise und ist von den Protesten (der Fridays For Future Bewegung) inspiriert. Wir haben den im September 2019 geschrieben und das war, wo die Proteste auf dem Peak waren und soll das Auflebende, Energetische und Hoffnungsvolle was unsere Generation – glaube ich – mitbringt, einfangen sollte.“

Fred ist derjenige, der sich bei den Giant Rooks die Melodien und grundsätzlichen Arrangements ausdenkt. Aber er ist ja als Frontman auch für den Gesang zuständig. Wie sieht er sich selbst denn als Sänger? „Ich glaube Soul ist eine ganz große Inspirationsquelle für mich“, erklärt Fred, „ehrlich gesagt habe ich aber gar keine Ausbildung als Sänger. Ich habe einfach drauflos gesungen – und vielleicht klingt das auch so. Das hat sich in den letzten Jahren natürlich entwickelt. Gesangliche Vorbilder sind für mich zum Beispiel Paolo Nutini, Amy Winehouse, Justin Vernon, Arlo Parks oder Celeste. Die Liste ist sehr, sehr lang.“ Soul-Musik ist ja bei den Giant Rooks nicht so direkt herauszuhören. Was versteht Fred denn unter dem Begriff „Soul“. „Das ist schon eine reale Inspiration für uns. Nicht so sehr musikalisch, sondern auf meine Gesangsintentionen bezogen.“ „Wir haben auch im Studio oft gesagt: 'Lass uns mal mehr Soul machen'.“, erinnert sich Finn, „das war der häufigste Satz bei uns. Und daraus ergaben sich auch ganz konkrete Signale. Wie bekommt man zum Beispiel aus einem E-Bass mehr Soul heraus?“ „Es gab nie eine konkrete Definition von 'Soul', es wusste aber jeder, was gemeint war“, ergänzt Fred.

Was hält denn – nach Meinung von Fred und Finn – das Konzept der Giant Rooks zusammen? „Ich glaube es ist die Art und Weise wie Luca sich Basslines ausdenkt und wie er den Bass spielt, es ist die Art und Weise wie Johnny seine Synthies bearbeitet, Wie Finnbo seine Drums spiel, wie Finn seine Gitarre spielt und wie ich singe. Es ist das Zusammenspiel aus all diesen verschiedenen Spielweisen, das uns verbindet“, erläutert Fred. „Das auf jeden Fall“, bestätigt Finn, „aber auch dass am Ende immer die gleichen fünf Leute zusammen die Geschmacksentscheidungen treffen. Es kommen immer nur die Ideen durch, die wir fünf alle gut finden und die wir mögen.“ „Dadurch klingt das automatisch nach den Giant Rooks“, fasst es Fred zusammen.

Was ist für die Giant Rooks die größte Herausforderung? „Nicht den Verstand zu verlieren“, scherzt Fred, „den Überblick zu halten und sich nicht verrückt zu machen, dass es unendlich viele Wege gibt mit einem Song anzufangen oder weiterzumachen. Das kann einen zuweilen überfordern und man darf sich da nicht hineinsteigern. Es gilt natürlich auch für das Geschäftliche, den Überblick zu behalten.“ Und auf der Ebene des Songwriting? „Entscheidungen zu treffen“, meint Fred, „und zwar die richtigen Entscheidungen zu treffen.“ Finn fügt noch etwas hinzu: „Niemand sagt uns, dass wir morgens aufstehen sollen und niemand sagt uns, was wir zu tun haben. Die größte Herausforderung für uns ist eigentlich, uns selbst zu organisieren und alles zu navigieren.“

Im allgemeinen ist es ja schwieriger, einen einfachen Song zu schreiben, als einen komplexen. Das sehen die Giant Rooks wohl anders, oder? „Ich habe da keine Meinung zu, weil es immer unterschiedlich ist“, überlegt Fred, „man kann das nicht verallgemeinern. Was wir aber tatsächlich so gelernt haben, dass weniger fast immer mehr ist und dass man am besten viel reduziert und auf das Wesentliche runterbricht.“ Aber Purismus gibt es deswegen nicht gleich, oder? „Uns fällt sowas schwerer, weil wir so wahnsinnig perfektionistisch sind“, räumt Finn ein, „wenn wir bei so Akustik-Sessions immer so viele Kompromisse eingehen muss und wir halt gerne auf die Details eingehen.“

Dabei gehen die Giant Rooks keineswegs immer den einfachsten Weg. Konventionelle Songformate etwa finden sich eher selten im Oeuvre der Band. „Ich glaube wir finden es super-interessant aus gewohnten Strukturen auszubrechen“, überlegt Fred, „obwohl es diese auch bei einigen unserer Songs wiederfindet. Wir finden es aber auch interessant mal Songs zu schreiben, die 7 Minuten lang sind.“ Sind die Songs eigentlich von vorneherein für einen größeren Rahmen konzipiert? Denn die Giant Rooks lieben die große Geste. „Das ist unser Geschmack“, bestätigt Finn, „wir lieben das, in der Größe aufzugehen.“ „Aber bei der Größe geht es vor allen Dingen eigentlich um die Dynamik“, schränkt Fred ein, „wenn man genau darauf achtet, dann wird irgend etwas nur dadurch ganz groß, dass vorher etwas ganz klein war. Sonst wirkt die Größe nicht. Es geht uns um die Dynamik.“ Was zeichnet einen guten Song für die Giant Rooks aus? „Ich finde man kann das pauschal nicht sagen, weil es kein Rezept dafür gibt“, überlegt Fred, „das mag eine profane Antwort sein, aber ein guter Song muss mich einfach berühren. Und das kann ein ganz profaner Pop-Song sein, ein Hip-Hop-Track, ein Jazz-Song oder Klassik.“

Okay. Was ist denn für die Giant Rooks – unter dem Strich – das Größte an ihrer Kunst? „Ich glaube, das Größte ist es, die Freiheit, das was wir machen, tun zu können“, zögert Finn, „das größte Glücksgefühl entsteht immer dann, wenn ein Song fertig ist – wenn man den zum ersten Mal im Proberaum hört.“

Gibt es denn jetzt schon Zukunftspläne für die Giant Rooks – ein Mal abgesehen davon, dass es natürlich notwendig ist, die Live-Schiene irgendwie ans Laufen zu bringen. „Wir haben - ehrlich gesagt - noch nicht darüber nachgedacht, weil wir gerade erst das Album herausgebracht haben und seither dauernd in Sachen Promo unterwegs sind. Wir müssen auch erst mal die letzte Zeit Revue passieren lassen und dann mit neuer Energie weiterzumachen und uns vielleicht sogar in eine andere Richtungen zu entwickeln. Alles ist möglich – aber wir haben uns noch keine großen Gedanken darüber gemacht. Wir hatten auch keine Zeit an neuen Songs zu arbeiten, weil es uns erst mal darum ging dieses Projekt – diese LP – fertig zu stellen und abzuschließen.“

Words: Ullrich Maurer

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