KATHLEEN EDWARDS

August 2020 Interview + New Album „Total Freedom“

Eigentlich hatte sich die Kanadierin Kathleen Edwards nach der Tour zu ihrem letzten Album „Voyager“ aus dem Jahre 2012 aus dem Musikbusiness zurückgezogen und sich erst mal auf ihr Café mit dem ironischen Namen „Quitters“ konzentriert, das sie mit ihrem ehemaligen Manager Rick Trembly 2014 in der kanadischen Kleinstadt Stittsville eröffnet hatte. Das kam damals recht überraschend, da sich Kathleen musikalisch und kommerziell eigentlich auf einem guten Weg zu befinden schien. Freilich gehört Kathleen nicht zu jener Sorte von Künstlern, die sich aus kommerziellen Gründen der Musik zugewendet haben und kam mit den an sie herangetragenen Erwartungshaltungen einfach nicht zu recht. Außerdem schien es ihr nicht zu gelingen, ihr persönliches Leben von jenem ihrer Bühnenpersona zu trennen. Das Ende einer komplizierten Beziehung zu Justin Vernon von Bon Iver – der weiland auch ihr Album „Voyager“ produziert hatte – war schließlich der Auslöser dafür, sich erst mal eine Auszeit zu nehmen, nachdem zuvor schon Kathleens Ehe mit Colin Cripps in die Brüche gegangen war. Da Kathleen angedeutet hatte, dass es sich bei diesem Rückzug nicht um eine endgültige Entscheidung gehandelt habe, ist es dann nicht ganz so erstaunlich, dass nun ein neues Album vorliegt, dessen Titel „Total Freedom“ bereits andeutet, worum es Kathleen letztlich eigentlich geht.

Wie geht es Kathleen heutzutage – in Zeiten von Corona und Lockdowns? „Nun ich lebe ja nach wie vor in Ottowa und verbringe gerade viel Zeit in meinem Café“, berichtet Kathleen, „ich musste das Café natürlich auch ein paar Wochen schließen und habe es vor kurzem erst wieder aufmachen können. Da die Musik und meine Konzerte gerade alle gestrichen sind, arbeite ich nun halt wieder im Café.“

Was hat Kathleen letztlich veranlasst, gerade jetzt wieder Musik zu machen? Ist sie davon vielleicht irgendwie abhängig? „Nein ich fühle mich heutzutage nicht mehr abhängig von der Musik, so dass ich das Gefühl habe, sie machen zu müssen“, widerspricht sie, „das war zwar so, als ich jünger war; was mich aber heutzutage am Musizieren reizt, ist die Tatsache dass ich mich heute emotional sehr stark und sicher fühle. Früher hatte ich immer das Gefühl, nur für mich alleine zu Musizieren – heute fühlt sich das aber alles irgendwie größer an. Es geht mir darum, Menschen zu erreichen – und das ist lohnender als nur meine eigene, persönliche Karriere im Auge zu haben.“

Einer der Gründe, warum Kathleen sich damals aus der Musik zurückgezogen hatte, war ja der, dass sie für ihre Musik nicht die richtige Art von Anerkennung erhielt. Auf ihrem letzten Album „Voyager“ versuchte sie, sich musikalisch neu aufzustellen und entwickelte einen Stil, der sich von dem Americana-Label absetzte, mit dem sie stets versehen wurde. „Genau – ich wurde damals nicht nach meiner Arbeit beurteilt, sondern für den Umstand, dass ich mit Justin Vernon liiert war“, erinnert sich Kathleen, „das führte dazu, dass ich daran zweifelte, nicht gut genug zu sein und nicht das erreichen zu können, was ich mir vorgestellt hatte. Ich wurde damals einfach als Country-Sängerin abgetan – und das mochte ich gar nicht. Im Grunde genommen war ich damals aber einfach sehr verletzlich. Ich hatte mir auch nicht genug Zeit genommen, mich von meiner zerbrochenen Beziehung mit meinem Ehemann Colin Cripps zu erholen. Es ist schließlich ein sehr schmerzlicher Prozess.“

Das führte dann auch dazu, dass Kathleens neues Album musikalisch nahtlos an die Richtung anschließt, die sie dereinst mit „Voyager“ einschlug. Vermutlich auch deswegen, weil sie sich heutzutage die benötigen Freiheiten nimmt, oder? „Genau“, bestätigt sie, „es fühlte sich fast an, wie meine erste Scheibe, denn ich war dieses Mal einfach nicht von der Art Leuten und der Art zu leben umgeben, von der ich damals umgeben war. Ich bin einfach zwanglos ins Studio gegangen und habe ein paar Stunden musiziert – und dann bin ich ins Café gegangen und habe dort etwas repariert oder mich mit Kunden unterhalten, die keine Ahnung von der Musik und dem Business haben. Das fühlte sich irgendwie gesund an. Ich lebe heutzutage einfach nicht mehr in dieser Blase in der ich ständig über meine Relevanz nachdenke oder mich frage, ob ich gut genug bin.“

Das nimmt ja auch den Druck von der Leitung, oder? „Ja, denn ich kann so die ganzen Erwartungen beiseite schieben – ob meine Show großartig ist, ob meine Stimme perfekt ist oder ob ich richtig spiele. Ich kann spielen, was und wie ich will und ich weiß, dass es authentisch und aufrichtig ist. Manchmal sind es ja sogar gerade die Fehlerchen, die den Menschen am meisten zu Herzen gehen.“

Fühlt sich Kathleen denn heute glücklicher – nachdem sie die neue Scheibe aufgenommen hat? „Jaaaa“, bestätigt sie, „ich bin sehr glücklich die neuen Songs zu haben. Das ist mit Sicherheit seit langem die aufregendste Zeit für mich. Früher wäre dieses die Zeit gewesen, vor der ich am meisten Angst gehabt hätte – kurz vor der Veröffentlichung der Scheibe. Heutzutage weiß ich in meinem Innersten, dass ich eine gute Scheibe geschaffen habe, eine die mir gut gefällt. Ich weiß was ich getan und durchlebt habe. Ich habe das gemacht, während ich im Café gearbeitet habe. Ich habe es gemacht, während ich mich von einer schrecklichen Beziehung erholte. Ich habe einen Song namens 'Hard On Everyone' geschrieben – von dem ich denke, dass es der beste Song auf der Scheibe ist.“ Was ist denn daran so besonders? „Nun ich habe den Song geschrieben, als mein Ex mir durch seinen Anwalt Schreiben zukommen ließ, in denen dieser ankündigte, dass man mich um Geld aus meinem Verlag und meinen Musikrechten verklagen wolle“, erinnert sich Kathleen, „ich bin so stolz darauf, dass mich das nicht wütend gemacht hat und dass meine Seele nicht von diesen Dingen zerquetscht wurde. Ich bin darüber hinausgewachsen und davon glücklicherweise stärker geworden.“

Musik ist also für sie eine Art Therapie? „Oh – absolut“, bestätigt Kathleen, „manchmal fühle ich, dass die Dinge, die ich in meinem Leben gemacht habe und die Entscheidungen, die ich getroffen habe, sich doch sehr von den Erfahrungen unterscheiden, die meine Nachbarn mit ihren regulären 8-Stunden-Tagen machen. Die haben nicht die Möglichkeit auf der Bühne zu stehen und über ihre Gefühle zu singen. Meine Therapie resultiert aus meiner Möglichkeit, genau das tun zu können – und damit vielleicht sogar anderen etwas bedeuten zu können. Ich finde es nämlich tröstlich zu wissen, dass ich nicht total verrückt bin.“

Was hat Kathleen dieses Mal musikalisch inspiriert? „Was mir wichtig war, war die Idee, dass auf dieser Scheibe die Drums eine wichtige Rolle spielten“, verrät Kathleen, „mein Drummer, Peter von Althen ist einer der Besten in Kanada und vielleicht der ganzen Welt und ich habe ihn gebeten, die Sounds für meine Songs zu finden. Die Texte, die Melodie und die Akkordfolgen hatte ich ja schon und ich habe ihn dann gebeten, die Grooves zu finden. Ich habe also eng mit ihm zusammen gearbeitet und ihm ist es zu verdanken, dass Songs wie 'Hard On Everyone' oder 'Options Open' den Geist der Scheibe, die wirklich machen wollte, versinnbildlichten.“ Und was ist dabei der wichtigste Aspekt? „Authentizität“, meint Kathleen, „...und natürlich die Freiheit.“

In diesem Sinne wollen wir hoffen, dass Kathleen Edwards heutzutage frei genug ist, um ihre Arbeit als Songwriterin nun auch wieder auf regelmäßiger Basis fortsetzen zu können.

Words: Ullrich Maurer

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