CHRIS ECKMAN
„Where The Spirit Rests“ - das trefflich betitelte letzte Album von Chris Eckman - erschien in einer Zeit des Umbruchs. Besonders auf der persönlichen Ebene hatte Eckman damals mit einer für ihn neuen Lebenssituation zu tun – nämlich dem Umstand, nach dem Zerbrechen seiner Ehe mitten in der Pandemie erstmals alleine leben und entscheiden zu müssen, wo er das tun wollte. Letztlich entschied er sich, in seiner Wahlheimat Slowenien zu bleiben – wo dann auch das neue Album „The Land We Knew The Best“ entstand. Als gewieftem Meister seines Fachs fiel es Chris Eckman offensichtlich nicht schwer, diese Phasen mittels seiner Musik entsprechend einzufangen – also Desolation und Solitüde über das „Spirit“-Album und stoische Akzeptanz und Resilienz mit dem neuen Album. Grund genug, sich wieder mal mit Chris über seine Musik auszutauschen.
Aufgrund seiner vielen Tätigkeiten für das Glitterbeat-Label, als Filmkomponist oder als Produzent gehört Chris Eckman nicht zu den Songwritern, die sich jeden Tag hinsetzen und an neuen Songs feilen. Er schreibt dann lieber konzentriert für ein bestimmtes Projekt, wenn ihn die Inspiration gepackt hat. Das kann – situationsbedingt – mal mehr oder minder lange dauern. Im Falle des neuen Albums packte ihn die Motivation dann vergleichsweise schnell. Dabei setzte er dieses Mal auf ein fülligeres Klangbild und eine im Vergleich zum letzten Album weniger desolate, versöhnlichere Grundstimmung.
Hat sich an Deiner Haltung gegenüber des letzten Albums etwas geändert?
Ja – deswegen wollte ich auch nicht wieder ein Album machen, bei dem ich alleine über meinem Mikro hänge und vor mich hin sinniere. Ich wollte andere Musiker stärker beteiligen, mehr Gemeinschaft und mehr Offenheit zulassen. Deswegen habe ich mich mit meinen Slowenischen Musikern und dem Produzenten Alastair McNeill zusammengetan, mit dem ich nach Möglichkeiten der musikalischen Ausgestaltung gesucht habe. Der unterschiedliche Ton auf dem neuen Album ist also ganz absichtlich anders – denn ich fühle mich heute ja auch anders.
Ging es Dir dieses Mal um ein besonderes Leitmotiv – oder ließest Du Dich von der gelösteren Stimmung tragen?
Ich denke es ist eher Letzteres. Die Art, in der ich in letzter Zeit Songs schreibe ist die, dass ich mit meiner Gitarre vor einem Aufnahmegerät sitze und zufällige Sachen vor mich hinsinge – alles, was mir gerade in den Sinn kommt. Ich habe dann vielleicht eine musikalische Idee und improvisiere auf die genannte Weise damit herum. Dann komme ich auf die Aufnahmen zurück und ziehe diese und jene Ideen heraus, die ich dann zu Songs zusammensetze. Früher habe ich ganz formal und geplant was ich schreiben wollte. Der neue Prozess lässt mir da mehr Freiheiten. Es ist dann allerdings schwerer für mich, ein Thema zu erkennen – aber im Rückblick ergibt sich dann doch eine gewisse Kontinuität.
Ein Thema des neuen Albums scheinen allerdings Erinnerungen zu sein. Auf dem Cover führt Chris ein Zitat von Gretel Erhlich an, das besagt „Here, weather is landscape and landscape is memory“. Chris referenziert das durch selbst geschossene Fotos seiner Slowenischen Heimat, mit denen er selbst den Bezug zwischen der Landschaft und Erinnerungen herstellt. In seinem Song „Buttercup“ führt Chris zum Thema Erinnerungen dann aus: „Remembering The Good Times Are The Bad Times Half Remembered“.
Ist das nicht eine Umschreibung dafür, dass man Erinnerungen eigentlich nicht trauen kann?
Ich kann nicht sagen, dass Erinnerungen in meiner bisherigen Arbeit in der Vergangenheit eine so eine so große Rolle gespielt haben. Aber gerade bei den letzten beiden Scheiben war das dann doch eine wichtige Komponente für mich. Das hat sicher auch mit dem Alter zu tun. Du hast halt eine Menge Erfahrungen auf dem Buckel wenn Du älter bist, während alles neu für Dich ist, wenn Du jung bist. Mit 25 erinnerst Du Dich dann an die Kindheit – aber die Zeitspanne ist halt kürzer und enthält weniger Höhen und Tiefen. Auf dem neuen Album geht es darum, auf sein Leben zurückzublicken und zu evaluieren, was dabei wirklich wichtig ist. Erinnerungen spielen da eine große Rolle. Das bestimmt den Rahmen dessen, was uns ausmacht. Wie Du aber richtig sagst, sind Erinnerungen nicht verlässlich – was für die Kunst aber egal ist, denn Kunst ist ja keine Wissenschaft, sondern selbst unzuverlässig.
Na ja – aber dafür verblassen Erinnerungen und die Kunst dann ja auch nicht.
Ja – ich denke, dass die Kunst und die Musik selbst eine Art 'Suspension Of Time' darstellen. Es ist ein kleines Zeit-Experiment – was aber die Zeit selbst außen vor lässt. Es ist eine immersive Pause, der man sich da anvertraut. Anders als ein Gemälde, bei dem Du selbst entscheidest, ob Du es betrachten und Dich darin verlieren möchtest, können wir der Musik nicht so recht entkommen, weil sie Dich selbst dann umarmt oder einnimmt, Du versuchst, sie auszublenden. In diesem Sinne spielt die Musik als Kunstform mit der Zeit.
Bist Du denn nun mit dem neuen Album – im spirituellen Sinne - zu Hause angekommen bzw. hast Du zu Dir selbst gefunden?
Ach ich denke, das wird schon. Was ich konkret realisiert habe, ist dass ich eine Entscheidung darüber treffen musste, ob Slowenien in technischer Hinsicht mein Zuhause sein sollte – und habe mich dann auch dazu entschieden, hier zu bleiben. Mit einigem Abstand wurde mir dann klar, dass das dann auch eine emotionale Entscheidung gewesen ist.
In den neuen Songs beschäftigst Du Dich vermehrt mit dem Thema „Heimkehr“ und „Heimat“. Deine Kollegin Neko Case sagte ein Mal, dass man eigentlich nicht nach Hause zurückkommen kann, weil das Zuhause, das man verlassen hat, nicht mehr existiert, wenn man dorthin zurück kehrt.
Was bedeutet der Begriff „Zuhause“ für Dich?
Egal wie konkret das der Eine oder Andere sehen mag – für mich ist immer klar, dass der Begriff 'Heimat' für mich ein fließendes Ding ist – wie ja auch Neko Case es andeutet. Es ist kein bestimmter Ort und auch kein beständiges Ding und verändert sich ständig. Es ist etwas, was morphen kann und was man auch verlieren kann – auch ohne dramatische Ereignisse.
Es gibt gleich mehrere Songs auf dem Album, bei denen Du gewisse Textzeilen mantraartig wiederholst – so, als wolltest Du Deine Aussagen geradezu beschwören. Gibt es da vielleicht sogar einen spirituellen Aspekt?
In den letzten Jahren war ich sehr beschäftigt mit meinen Dayjobs – beispielsweise für das Glitterbeat-Label. Da ist mir dann irgendwann klar geworden, dass die Musik als solche eine tiefergehendere spirituelle Bedeutung für die Künstler des Labels hat. Wir bekommen zum Beispiel Übersetzungen unserer afrikanischen Künstler und da stellt man fest, dass die Texte aus sehr wenigen Zeiten bestehen, die immer wieder wiederholt werden. Ich denke, dass ich dieses Element dann zwar nicht bewusst eingesetzt habe, aber dass es von meinem Wissen um die Musik von anderen Orten der Welt beeinflusst wurde. Das gilt sogar für die Art, in der ich stellenweise Gitarre spiele. Das ist dann keine offensichtliche Hommage an afrikanische Musik, aber das Element der Wiederholung fasziniert mich dann schon. 'Town Lights Fade', der zweite Track auf dem Album hat nur ein paar Akkorde, die – ohne strukturelle Veränderungen – immer wiederholt werden.
Was interessiert einen Chris Eckman denn zur Zeit als Musikliebhaber?
Ich höre natürlich immer viel Musik – schon alleine aufgrund meiner Label-Arbeit. Zuletzt habe ich mich aber wieder stärker klassischen Songwritern zugewandt, die ich in der Vergangenheit vernachlässigt hatte. Wie zum Beispiel Kris Kristofferson. Dem habe ich mich in der Pandemie intensiv zugewandt und das war eine Art Erleuchtung, als ich feststellte, wie viele seiner Songs ich noch gar nicht kannte und wie großartig die sind.
Das wechselt dann ab mit meinem Interesse an experimentelleren Sachen und vor allen Dingen am Sound als Solchem. Daran bin ich immer sehr interessiert. Auf der aktuellen Scheibe haben ich und Alastair McNeill, der Produzent uns zum Beispiel überlegt, was wir mit dem Song 'The Cranes' musikalisch machen könnten und da hatte er die Idee, den Track mit Drones zu unterlegen. Das ist der Grund, warum ich Alastair wieder mit an Bord holte, denn er versteht mein Interesse an experimenteller Musik.
Der Londoner Musiker und Produzent Alastair McNeill ist dabei ein Expatriate, der – wie Chris selbst - in Ljubljana lebt. Der letzte Track der Scheibe „Last Train Home“ ist ein klassischer Eckman-Track der erneut das Bild eines Zuges – vielleicht als Symbol der Hoffnung aufweist – etwa wie er das schon bei den Walkabouts mit dem Titel „Last Train To Mercy“.
Ist „Last Train Homo“ – in dem der erzählende Charakter den letzten Zug nach Hause ja bereits verpasst hat - dann vielleicht eine Art Resümee für das Album „The Land We Knew The Best“?
Ich habe ja nun wirklich viele Songs, die die letzten Songs auf einer Scheibe sein könnten. Ich habe sogar schon mal erwogen, eine ganze Scheibe damit zu machen, die ich dann 'Last Songs' nennen wollte – bin aber wieder davon abgekommen, nachdem ich herausgefunden habe, dass das schon mal eine Band gemacht hat. Tatsächlich ist mir selbst der Song ein wenig unklar. Ich glaube, dass es um denselben Charakter aus dem „Genevieve“-Song geht und dass der Song eine Art Prequel zu „Genevieve“ darstellt – in dem der Erzähler ja vergeblich darauf hofft, dass besagte „Genevieve“ nach Hause zurückkommt. Er erzählt davon, wie er diese „Genevieve“ getroffen hat – und schon da war unklar, wie die Sachen zwischen ihnen stehen. Der Song hat einen Hauch von Melancholia. Es ist nicht, als würde die Tür zu den Aspirationen dieses Charakters zugeschlagen – aber seine Hoffnungen hängen doch in der Ungewissheit.
Sagen wir mal so: Die Hoffnung darauf, dass die Hoffnung noch nicht ganz verloren ist, ist dann wohl der Tenor, der „The Land We Knew The Best“ am treffendsten auszeichnet. Ganz so desolat und düster wie auf dem Vorgängeralbum „Where The Spirit Rests“ ist das Ganze also nicht mehr – aber von eskapistischen Traumtänzereien ist Chris Eckman auch auf dem neuen Album meilenweit entfernt. Vielleicht ist er in diesem Sinne ja ein Sub-Realist - ein Begriff der von dem großen Vic Chesnutt geprägt wurde und einen Schwebezustand zu beschreiben sucht, den Chesnutt selbst nicht konkret definieren konnte.
Words: Ullrich Maurer
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