LARKIN POE

11.06.2020 Interview + New Album „Self Made Man“

Lange Zeit haben Rebecca und Megan Lovell nach dem geeigneten musikalischen Format gesucht. Als die beiden Schwestern aus Atlanta, Georgia sich 2010 entschlossen, das Bandprojekt Larkin Poe zu gründen, nachdem sie zuvor mit ihrer dritten Schwester Jessica zusammen das Bluegrass-Ensemble Lovell Sisters betrieben hatten, gab es noch keine konkreten Vorstellungen. Auf fünf EPs versuchten sich Rebecca und Megan an allen möglichen Stilen und Formaten, bis dann ungefähr 2012 die Erkenntnis wuchs, dass sie sich von den ursprünglich dominierenden Folk-Tendenzen zur Genüge emanzipiert hatten, um in eine neue, rockigere und elektrischere Richtung zu zielen. Die beiden resultierenden Alben „Kin“ bzw. „Reskinned“ zeigten die Schwestern in einem Mindset das zwischen Rock, Pop, Blues und Folk hin und herpendelte. Es war dann schließlich die Entscheidung, sich mit dem Album „Peach“ 2017 im Wesentlichen jener Musik zuzuwenden, mit der Rebecca und Megan sich mittlerweile am ehestem identifizieren konnten: Dem elektrischen Blues südstaatlicher Prägung nämlich. Durch diesen Schritt konnten sie nicht nur eine vollkommen neue Fan-Gemeinde hinzugewinnen, sondern auch den Blues für ihre ursprüngliche, jüngere Gefolgschaft interessant gestalten – etwa indem sie die Studioaufnahmen ohne Band zu zweit realisierten und dabei auch zeitgemäße, moderne Produktionstechniken einsetzten. Das wurde auch auf den beiden nachfolgenden Alben, dem Grammy-nominierten „Venom & Faith“ und auch dem neue Album „Self Made Man“ mehr als deutlich.

Was bietet denn der Blues den Damen, was ihnen andere Musikrichtungen nicht geben? „Wir sind ja in Georgia im amerikanischen Süden aufgewachsen“, berichtet Rebecca, „da waren wir ständig von typischer amerikanischer Musik umgeben. Wir haben in einem relativ jungen Alter angefangen, Bluegrass zu spielen und in den letzten vier oder fünf Jahren haben wir uns stark in die Blues-Traditionen vertieft. Das hat sich für uns angefühlt, als kämen wir nach Hause zurück. Da wir uns als Südstaatlerin und 'Georgia-Peaches' identifizierten, haben wir uns fast schon genötigt gesehen, uns als Botschafterinnen der amerikanischen Musiktraditionen zu präsentieren – unter anderem auch, um unsere und folgende Generationen zu inspirieren, sich mit dieser musikalischen Historie zu beschäftigen, die letztlich die Basis für jede Art von moderner amerikanischer Musik bildet.“

Aha – dann haben Larkin Poe also auch einen selbst auferlegten, erzieherischen Auftrag und die Aufgabe, die Fackel auf diese Art weiterzureichen? „Wir wären in der Tat gerne jemand, der jüngere Leute dazu anregt, die Blues Musik für sich zu entdecken“, bestätigt Megan diese Annahme, „wir haben früher zum Beispiel Acts wie die Allman Brothers, die Stones oder Led Zeppelin gehört, die offensichtlich selbst durch Blues Musik und Musiker, die ihnen in dieser Richtung vorangegangen sind, inspiriert wurden. Wir können uns also schon vorstellen, dass Leute, die heutzutage Larkin Poe hören, angeregt werden, selbst mal nachzuforschen woran wir uns orientieren, so wie wir uns damals gefragt haben, von wem sich etwa die Allman Brothers inspiriert gefühlt haben mochten – und auf diese Weise die Blues Musik für sich zu entdecken. Wer weiß – vielleicht sind wir so ja auch für junge Leute eine Inspirationsquelle.“ Und wie geht das technisch? „Nun, indem wir die Generationen alte Tradition der Blues Musiker befolgen, die Musik durch das Hinzufügen spezifischer eigener Elemente auch in die eigene Zeit hinüberzuführen“, erläutert Megan. „Es war von Anfang an unser Ziel, die Botschaft von Larkin Poe dahingehend auszurichten, die eigene Kreativität zu fördern“, ergänzt Rebecca.

Gibt es denn da auch eine inhaltliche Botschaft? „Wir leben ja in ziemlich verwirrenden Zeiten“, überlegt Rebecca, „und Musik spielt ja eine sehr wichtige Rolle darin, zu helfen, sich durch solche Zeiten zu bewegen. Ich hoffe, dass diese neue Scheibe ein Art Prüfstein in dieser Richtung sein könnte.“ Und welche Rolle spielt dabei speziell der Blues? „Nun, der Blues ist so zeitlos, dass er ideal geeignet ist, generelle Fragen zu erörtern - wie zum Beispiel, was es bedeutet ein Mensch zu sein oder was es bedeutet, eine Seele zu haben, die Frage nach Himmel und Teufel oder von Gut und Böse. Und das sind Fragen, die für alle Zeiten Gültigkeit haben werden. Deswegen denken Megan und ich dass der Blues eine großartige Gelegenheit bietet, diese Fragen zu stellen – weil sie eben so zeitlos sind und eine Menge Leute betreffen.“

Das ist ja nur eine Facette des Blues. Eine ganz andere – und eine die oft übersehen wird – ist ja die, dass der Blues auch einen gewissen Unterhaltungsfaktor bietet. Gerade die frühen Blueser sangen ja nicht nur über das Leben auf der Plantage oder gestohlene Schuhe, sondern auch (in teilweise anzüglicher Manier) von amourösen Verwicklungen und komischen Situationen. Das haben Rebecca und Megan auch ganz gut drauf, oder? „Ja“, bestätigt Rebecca, „sowohl Megan als auch ich mögen das Augenzwinkern. Manchmal muss man einfach über das Leben lachen. Es gibt schließlich so viel, was schwer zu verstehen ist, so dass man nicht alles so ernst nehmen sollte und lieber über Umstände, über die man sowieso keine Kontrolle hat, lachen sollte. Wir sind beide optimistische Leute und wir suchen nach Möglichkeiten zu lachen und auch andere zum Lachen zu bringen.“ Oder zumindest zum Schmunzeln, wie der ironische Titel des Albums „Self Made Man“ (und nicht etwa „Self Made Woman“) belegt.

Mal eine andere Frage: Warum arbeiten Rebecca und Megan seit einiger Zeit im Studio eigentlich im Wesentlichen alleine? Schließlich spielen sie Live doch mit einer kompletten Band. „Das ist eine gute Frage“, antwortet Megan, „Rebecca und ich mögen es, uns selbst Herausforderungen zu stellen. Deswegen haben wir die letzten Scheiben selbst produziert. Wir wollten dabei alle Elemente der Produktion – inklusive des Spielens der Instrumente – selbst in die Hand nehmen. Weil wir eine konkrete Vorstellung davon hatten, wie das Ganze klingen sollte und die beste Art das zu erreichen, war, es dann auch alles selbst umzusetzen. Da das schon bei 'Peach' gut geklappt hat, haben wir einfach so weiter gemacht. Obwohl wir bei 'Self Made Men' ein paar Band-Elemente mehr mit einbezogen haben. So haben unsere Band-Mitglieder ein paar Spuren eingespielt. Das meiste haben aber wir selbst gestemmt – auch weil wir den Leuten vermitteln wollten, welche Klänge wir in unseren Köpfen haben. Und ich denke, es klingt dann alles auch so, wie wir uns das vorgestellt hatten.“ Und dazu gehört dann auch ein Gast-Slot von Rebeccas inzwischen zum Ehemann geadelten Kollegen (und in dem Fall auch Co-Autor) Tyler Bryant und eine Sammlung origineller, organischer Vintage- aber auch elektronischer Instrumente, die Rebecca und Megan in dieses Soundkonzept einarbeiten. Eine standardisierte Blues- Scheibe ist auf diese Weise also – zum Glück – nicht herausgekommen.

Interview: Ullrich Maurer

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