STATIC ROOTS FESTIVAL

08. und 09.07.2022 Oberhausen – Zentrum Altenberg

Peace, Love, Rock’n’Roll: Nach zweijähriger, pandemiebedingter Auszeit meldet sich auch das Static Roots Festival unter dem alten Motto wie so viele andere Musik-Institutionen wieder zurück. Denn für Liebhaber*innen von Roots, und Folk und Americana ist das Festival bereits zur Institution geworden – und dabei doch immer noch Geheimtipp geblieben. Was vielleicht daran liegt, dass hier keine ganz großen Namen im Line-Up auftauchen, was der Qualität nicht im Geringsten schadet. Im Gegenteil, der Blick auf zum Teil noch unbekannte, Künstler*innen und Bands trägt wesentlich zum Charme des zweitägigen Indoor-Festivals bei, das Anfang Juli im Zentrum Altenberg in Oberhausen stattfindet.

Diesen Eindruck bestätigt die Kanadierin SARAH JANE SCOUTEN, die den Festival-Freitag alleine mit ihrer Akkustik-Gitarre eröffnet und Songs ihres vor drei Jahren erschienenen, sehr empfehlenswerten Albums Confessions präsentiert, ebenso wie ihr Landsmann ZACHARY LUCKY aus Saskatoon im Anschluss: Die Songs vom 2019er Album Midwestern kommen mit seinem warmen Bariton und filigranem Fingerpicking ebenso bestens zur Geltung wie Townes Van Zandts White Freightliner Blues, mit dem der 33-Jährige sein Set beendet.

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Mit DEAN OWENS bietet das Festival dann auch schon sein erstes Highlight. Im Zentrum des Auftritts stehen die Songs vom großartigen Album Sinner’s Shrine, das der Schotte mit Calexico in Tucson, Arizona aufgenommen hat: Die Atmosphäre des amerikanischen Südwestens vermittelt Ownes am besten im unfassbar stimmungsvollen Here comes Paul Newman, das keine Worte braucht, nur zwei Gitarren und Owens‘ Pfeifen, um als perfekter Soundtrack für einen Spaghettiwestern durchzugehen. Ganz großes Kino!

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Angenehm aus dem Rahmen fallen danach GABI GARBUTT & THE ILLUMINATIONS, die mit ihrem Mix aus Indie- und Punkrock nicht unbedingt ins musikalische Programm passen, deren Auftritt aber trotzdem eine Bereicherung des Abends darstellt – und die Vielseitigkeit des Festivals unterstreicht.

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Als Hommage an den verstorbenen Willie Meighan, einem Initiator des Kilkenny Roots Festivals, der auch als Mentor für Static Roots gilt, beenden die irischen THE BARFLIES mit druckvollen Coverversionen von Neil Young, Wilco, Byrds und Nick Cave den ersten Abend.

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Mit ihrem Deutschlanddebüt eröffnen NATIVE HARROW dann den zweiten Festivaltag. Das in Sussex residierende, aber aus den USA stammende Duo aus Devin Tuel und Stephen Harms, das Bett und Bühne teilt, steht beim Londoner Label Loose Music unter Vertrag, was ja schon an sich einem Gütesiegel gleichkommt. So überzeugt das Paar mit Folk, der seine Inspiration zum Großteil aus den Sechzigern und Siebzigern zieht, und mit seinen offenen Gitarrenstimmungen oftmals an Joni Mitchell erinnert. Wer die grandiosen Alben Happier Now und Closeness noch nicht kennt, dem seien sie an dieser Stelle wärmstens ans Herz gelegt.

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EVANGELINE GENTLE entzückt danach im lila Jumpsuit mit Indie-Folksongs und glockenklarer Stimme und erweist sich als großes Talent, von dem man in Zukunft wohl noch viel hören wird. Wem die introvertierten Songs wohlmöglich zu zurückhaltend waren, wird danach von den VANDOLIERS bestens bedient: Das Sextett aus Dallas und Fort Worth bringt mit seinem Cow-Punk die Bude zum Beben. In einer Besprechung bringt es der Dallas Observer treffend auf den Punkt: Die Band klinge, als ob Calexico und die Dropkick Murphys gemeinsam auf einer Fiesta spielen. Der explosive Stilmix wird nämlich von einer Fiddle und einer prominent eingesetzten Mariachi-Trompete angetrieben, die die Musik über den Tellerrand der gängigen Genre-Standards blicken lässt. Sogar das ein oder andere Tanzbein wird während des Sets im Publikum geschwungen.

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Er sei überrascht, dass die Band nicht ihre Instrumente zerschmettert habe, so PETE GOW im Anschluss, der mit seinen Siren Strings einen Kontrastpunkt zum Radau der texanischen Krawallbrüder bildet: Die neunköpfige Formation mit Streichquartett und Bläsern verhält sich geradezu filigran im Vergleich zu den Vandoliers, auch wenn den Songs aufgrund des Arrangements ein gewisser Wumms und Bombastik zu attestieren ist. Gow, der zuvor der britischen Band Case Hardin vorstand, präsentiert hier die Songs seines Solo-Debütalbums Here There’s No Sirens, mit dem er bereits einige Kritiker für sich gewinnen konnte. Das konnten auch schon die TREETOP FLYERS mit ihrer bisher vier Alben umfassenden Diskografie, die nicht arm an Höhepunkten ist. Überhaupt stellt der Auftritt der Londoner Band einen der Höhepunkte des Festivals dar, was nicht zuletzt an Front-Mann Reid Morrison und seinem Soul-Gesang sowie seinen starken Entertainer-Qualitäten liegt.

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Als qualitativ nicht weniger hochwertig erweisen sich dann ROBERT JON & THE WRECK mit ihrem gut abgehangenen, whiskygetränkten Blues- und Southernrock, mit dem das Festival seinen gebührenden, wenn auch zu frühen Abschluss findet (es hätte noch allzu gerne weitergehen können): Songs wie Cold Night klingen, als ob die Siebziger nie zu Ende gegangen wären und lassen in ausgedehnten Solos Ausnahmegitarrist Henry James sein ganzes Können präsentieren.

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Was das Static Roots neben dem musikalischen Genuss wieder so besonders gemacht hat, ist die überaus freundliche Atmosphäre, die prägend für das Festival ist. Man sei jetzt Teil der Static Roots-Familie, so der eigens aus Kanada angereiste Jeff Robson, der traditionellerweise als Moderator durchs Programm führt. Und so fühlt es sich auch an! Denn was hier vielleicht abgeschmackt und wie eine Phrase klingen mag, erweist sich in der Realität als Festival mit Alle-Jahre-wieder-Charakter und herzlichem Jeder-kennt-jeden-Gefühl. Was Veranstalter DIETMAR LEIBECKE hier mit viel Begeisterung und noch mehr Herzblut auf die Beine stellt, sucht seinesgleichen hierzulande und verdient Anerkennung. Roadtracks sagt danke für zwei tolle Tage!

Text: Andreas Paßmann
Photo: Volker Ebert