STATIC ROOTS FESTIVAL
Das für Roadtracks zur Institution gewordene Static Roots Festival entzückte auch in diesem Jahr wieder mit einem exquisiten, handverlesenen Programm, das an zwei Tagen die unterschiedlichsten Americana-Spielarten in all ihrer Bandbreite vorführte.
Mit an Jackson Browne geschulten Folk-Songs und zusätzlichen Country-Anleihen eröffnet der Norweger Ole Kirkeng am Freitag das in Oberhausen stattfindende Indoor-Festival. Die Erfahrungen aus fünf Jahren in den USA, während denen er sich auch als Bassspieler für Courtney Marie Andrews seine Sporen verdiente, spielen eine große Rolle auf dem Debütalbum Still Not Lost und sind entscheidend für den Weg vom Sidekick zum Solokünstler. Unbestreitbare Höhepunkte des Auftritts sind die Duette mit Louien, die später noch Akzente setzen wird, und These Days von Jackson Browne.
» Latest Gigs > OLE KIRKENGVorher spielen Jenny Don’t And The Spurs noch groß auf: Mit Spielfreude brettert die Cowpunk-Formation aus Portland, Oregon, durch ein Set, das an Energie kaum zu überbieten ist – und mit einem wunderbar wehmütigen Song wie Unlucky Love vom neuen Album Broken Hearted Blue doch auch eine neue, bisher unbekannte, introvertiertere Seite der Band zeigt.
» Latest Gigs > JENNY DON’T AND THE SPURSIntrovertiert beginnt auch der Auftritt Louiens, der aber im weiteren Verlauf immer größer und erhabener wird: Die Musik der Norwegerin lässt sich nicht einfach kategorisieren und enthält Folk ebenso wie Indie, Pop und Rock – dargeboten in starken Songs im Rahmen einer gekonnten und sympathischen Performance. Unbedingte Empfehlung an dieser Stelle: das aktuelle Album Every Dream I ever had!
» Latest Gigs > LOUIENMit Chris Cacavas betritt dann der erste Veteran die Festivalbühne: Als ehemaliges Mitglied von Green on Red und langjähriger Solokünstler bedarf der 63-jährige Exil-Amerikaner mit deutschem Wohnsitz wohl keiner Vorstellung mehr. Sein druckvolles Rockset beweist auf jeden Fall, dass er nichts verlernt hat und trotz einer eher dahindümpelnden Solokarriere noch immer mit Leidenschaft dabei ist. „Time ain't nothing when you're young at heart and your soul still burns“, wussten ja auch schon Green on Red.
» Latest Gigs > CHRIS CACAVASVirtuos geht es dann mit dem letzten Act am Freitag weiter: Anders kann man die Gitarrenkünste Travis Goods nicht bezeichnen, der nach dem Tod seines Bruders Dallas The Sadies als Trio weiterführt und dirigiert. Psychedelic, Surf, Country: Ein Konzert der Sadies ist nach wie vor ein erstklassiger, wilder Genreritt, der den ersten Festivaltag optimal ausklingen lässt.
» Latest Gigs > THE SADIESAm Samstag Nachmittag eröffnet Louis Brennan dann die zweite Festivalrunde: Der bärtige Ire mit angenehmer Baritonstimme ist trotz großer Popsongs wie Love Island, der auch Titeltrack seines zweiten Albums ist, bisher im Verborgenen geblieben. Was vielleicht auch an der Schwermütigkeit seiner Aufnahmen liegt. Laut eines Kritikers sollten seine Platten mit Warnstickern ausgeliefert werden: „Parental advisory: explicit existential despair.“ Davon ist aber während des Auftritts gar nicht so viel zu merken. „That was fun!“, so der kanadische Festivalmoderator Jeff Robson nach dem Auftritt. Recht hat er!
» Latest Gigs > LOUIS BRENNANEbenso wie Brennan genoss auch Suzie Ungerleider in den Anfangstagen ihrer Karriere mit Alben wie Johnstown und Sleepy Little Sailor den Ruf als Meisterin der Melancholie und Tristesse. Mittlerweile hat sich die Kanadierin, die bis 2021 unter dem Namen Oh Susanna firmierte, davon befreit und lässt deutlich mehr Licht in ihre Lieder, wie auch ihr akustisches Soloset beweist, das in seiner Zurückgenommenheit im starken Kontrast zum hemdsärmeligen, breitbeinigen Roots- und Heartlandrock David Newbolds steht. Ein großer Songwriter ist der Mann aus Toronto, der in Nashville residiert, eher nicht, was ihn aber nicht daran hindert, ein grundsolides, mitreißendes Konzert zu spielen, das in seinen besten Momenten rockt und rollt.
» Latest Gigs > SUZIE UNGERLEIDER» Latest Gigs > DAVID NEWBOULD
Individueller und intensiver präsentiert sich hingegen David Keenan, der nicht immer Interesse daran hat, eingängig zu sein, was die Musik des Iren umso faszinierender macht. Selten waren ein Mann und eine Gitarre mitreißender!
» Latest Gigs > DAVID KEENANAnders als bei ihren Studioaufnahmen, die stets ein wenig zu harm- und belanglos erscheinen, überzeugt Hannah White live auf voller Linie. Was vor allem an der sympathischen Performance und der Spielfreude liegt, mit der die Britin ihren Country-Pop präsentiert. Bestes Lied in dem Set: The Aftershow, das man am liebsten laut mitsingen würde, könnte man den Text auswendig. Moderator Jeff Robson ist sogar so angetan, dass er nach dem Konzert scherzhaft davon redet, White und ihren Gitarristengatten Keiron Marshall adoptieren zu wollen.
» Latest Gigs > HANNAH WHITEGemächlich groovend geht es dann mit The Delines weiter. Die Band um den ehemaligen Richmond Fontaine Frontmann Willy Vlautin sorgt für angenehme Entschleunigung und Entspannung – wozu natürlich der großartige Gesangsvortrag Amy Boones maßgeblich beiträgt, der Vlautin die Songs wie maßgeschneidert auf den Leib schreibt.
» Latest Gigs > THE DELINESAmericana made in Austria: Wie gut das funktioniert, haben Prinz Grizzley & His Beargaroos bereits auf mittlerweile drei Alben eindrucksvoll demonstriert. Und auch wenn das neue Studiowerk Dear Leftovers an manchen Stellen zu steril aufgenommen und überproduziert klingt, lassen Chris Comper und seine Mitstreiter keinen Zweifel daran, dass sie vollkommen zu Recht die Headliner des zweiten Festivaltags sind. Live zünden die Songs bestens, zumal Compers rauer und ungeschliffener, um nicht zu sagen: räudiger Gesang optimal zur Geltung kommt und selbst den schwächeren Nummern im Programm noch eine besondere Note verleiht.
» Latest Gigs > PRINZ GRIZZLEY & HIS BEARGAROOSUnd damit ist das Static Roots Festival 2024 auch schon zu Ende – es hätte wie jedes Jahr gerne noch länger dauern können!
Text: Andreas Paßmann
Photo: Volker Ebert