CURRENT SWELL

2020 Interview

Seit sie 2005 mit „So I say“ debütierten, verfielen weltweit immer mehr Musikfans der lebensbejahenden Musik der kanadischen Truppe aus dem beschaulichen Victoria, Vancouver Island. Nun, nach zwei Jahren Pause erschien letztes Jahr das neue Album „Buffalo“. Nach einmaligem Anhören war ich bereits ziemlich überzeugt von dem Album, was sich beim Konzert nur noch bestätigte. Groovige Folk-Gitarrenmusik mit Blechbläsern und Keyboard, präsentiert von kanadischen Surfern – was wünscht man sich als Musikfan mehr? Ein entspanntes Interview mit Sänger Scott Scanton.

Das Cover eurer neuen Platte „Buffalo“ zeigt eine Flötenspielende Person mit einem Bisonkopf, umringt von Kindern. Ist das die kanadische Version des „Rattenfängers von Hameln“..oder was soll das Cover ausdrücken?

Scott: Weißt du, um ehrlich zu sein ich liebe Bisons bzw. Büffel. Ich habe ein Büffeltattoo auf dem Arm. Und als wir die Singleauskopplung zum Album herausgebracht haben, hat jemand das für mich gezeichnet. Es ist diese Brauerei in Victoria, B.C. die ihre eigenen Labels zeichnet. Der Künstler hat uns ein Poster für den Auftritt gezeichnet und wir haben ihn für unser Albumcover engagiert. Es war das erste Mal, dass wir uns alle auf Anhieb einig waren..du glaubst nicht was für ein langwieriger Prozess das manchmal ist. Unser Manager wollte die Farben leuchtender haben und wir alle so „Nein, das ist perfekt wie es ist!“. Es ist cool aus, es gefällt uns – manchmal ist das alles was du brauchst. Davon abgesehen passt es zu dem Song Buffalo, den ich geschrieben habe.

Lokale Kunst auf dem Albumcover, ein weiterer Beweis für die Heimatverbundenheit der Band. Davon abgesehen hat es sich als das beliebteste Cover bei Band und Fans herausgestellt.

Die Platte ist sehr abwechslungsreich ausgefallen und es gibt herrlich stampfende, lebensbejahende Folkrocksongs ebenso wie wehmütige Balladen. Wie würdet ihr selbst die Grundstimmung der Platte beschreiben, oder auch die Botschaft, die sie vermitteln soll?

Scott: Ja, es ist definitiv abwechslungsreich. Wir bringen in jedes Album verschiedene Styles, da wir Folk- und Rockmusik lieben, genauso wie es einfach Spaß macht im Studio mit Synthesizer und Keyboard herum zu spielen. Jeder probiert so vor sich hin, wir zeigen es uns gegenseitig und entscheiden dann ob es passt oder nicht. Es gibt keinen roten Faden bzw. gehören die Songs nicht zusammen. Einen Teil der Songs haben wir bereits für das vorige Album geschrieben und nicht verwendet. Die haben wir nochmal ausprobiert und jetzt haben sie gut gepasst. In einigen Liedern habe ich meine letzte große Trennung verarbeitet. Der Rest sind neue Songs, z.B. beeinflusst dadurch, dass ich während den Aufnahmen meine Verlobte kennengelernt habe, die uns nun auf der Tour begleitet. Daher gibt’s ne Menge Liebes- und Trennungslieder (lacht). Vielleicht könnte man das als „Thema“ sehen..was meinst du?

Unser Lieblingssong ist das melancholische „Bring it on home“. Worum geht’s genau in dem Song?

Scott: Als tourender Musiker führt kein Weg an einem „Heimkommen-Song“ vorbei (grinst). Auch wenn wir so glücklich sind als Band all diese wunderbaren Orte wie Berlin besuchen zu können, kommen wir einfach gerne nach Victoria zurück. Was aus meiner Sicht und für mich der tollste Ort der Welt ist. Ich liebe es dort. Und egal wie viel Musik ich schreibe, es kommt immer wieder solch ein Song aus mir heraus und ich will auch nicht, dass das aufhört. (Wir sind uns einig, dass das auch gar nicht aufhören darf.) Diesen Song habe ich zusammen mit Dave geschrieben, in gefühlt 2 Sekunden.

Eure Musik ist vom amerikanischen Folk beeinflusst, ich meine aber auch manchmal Anklänge an die Beatles heraus zu hören?

Scott: Ich bin mit Neil Young, den Beatles, Dillan, Zeppelin, The Doors, und einer unendlichen Liste dieser Art, aufgewachsen. Genauso hab ich Tupac, Eminem, Dr. Dre usw. gehört, was unsere Musik ebenfalls beeinflusst. All das hilft unsere Musik zu formen, auch Blues war ein großer Bestandteil meiner Kindheit und Jugend.

Sind das also eure musikalischen und vielleicht kanadischen Vorbilder?

Scott: Neil Young, ein Kanadier, ist definitiv ein Idol. Das waren auch meine ersten Konzerte, da hab ich ihn mehrfach gesehen. Oder Tame Impala aus Australien, Mac Miller auf den ich erst nach seinem Tod aufmerksam wurde, und eben die bereits genannten Künstler. Die würde ich als meine Basis beschreiben.

Und auf welche Platten könnt ihr euch einigen, wenn ihr gemeinsam auf Tour seid?

Scott: Ehrlich gesagt höre ich mittlerweile meistens Podcasts während der Fahrt. Auch wenn wir hin und wieder mal Musik hören und das auch schön ist. Ein Podcast lässt die Zeit einfach besser vergehen, ich höre sozusagen eine Geschichte und lerne noch was dabei. Heute haben wir zum Beispiel vier Song Exploder gehört. Das sind musikalische Podcasts in denen ein Song in seinen Einzelteilen erklärt wird, also wie er gemacht wurde usw.

Gibt es eigentlich einen Song eines kanadischen Künstlers/-in oder Band, den du selbst gern geschrieben hättest?

Scott: Ich sage Jon & Roy „Little Bit of Love“, weil es so ein toller und lieber Song ist..und er ausserdem einer meiner besten Freunde ist. Natürlich hätte ich auch sagen können „Old Man“ von Neil Young..aber ich mag meine erste Antwort lieber (zufriedenes Lächeln).

Jetzt haben wir es ja schon ein paarmal angesprochen, ihr kommt aus Kanada, genauer gesagt ganz aus dem Westen, aus Victoria, der Hauptstadt von Vancouver Island. Nicht gerade das was man mit einem musikalischen „Hotspot“ verbindet. War es für euch schwierig, von dort aus den Durchbruch zu schaffen und gar eine internationale Karriere zu starten?

Scott: Nun..das einzige was wir erstmal zu bieten hatten ist, dass wir als Surfband angefangen haben und nicht weit von Vancouver weg sind. Das hilft definitiv. Aber ehrlich gesagt, heutzutage braucht man nicht mehr in Vancouver, Toronto, Montreal oder so zu sein, heutzutage kannst du überall sein. Ich würde niemals umziehen so wie das einige Freunde machen die eine Musikerkarriere starten. Viele gehen nach Nashville, was sicherlich cool ist. Endlos Musik.

Scott über Nashville: „Ich war dort, du sitzt in einem Café und an jedem Tisch geht es ums Schreiben, Musik machen – es ist fast schon witzig.“

Was bedeutet es für dich aus Victoria zu kommen? Was bedeutet Heimat und was verbindest du mit diesem Begriff?

Scott: Zuallererst meinen Hund, mein Haus, das Meer, meine Freunde und meine Familie..einfach aufzustehen, Kaffee zu machen und meinen Kumpel Brad zu fragen wie es mit Gassi gehen aussieht. Nicht, dass ich das Touren nicht liebe, es ist hart, doch ich bin super dankbar das machen zu können und die Welt zu sehen. Wir lieben Europa, wir kommen gerne her. Und in Kanada herumfahren zu müssen kann richtig beknackt sein, 10-15 stündige Fahrten um zur nächsten Veranstaltung zu kommen..in Europa ist eine lange Fahrt 3-4 Stunden.

Über seinen Hund, der in Victoria, B.C., auf ihn wartet: „Ich darf gar nicht so viel an ihn denken..ich hab tonnenweise Videos von ihm dabei..da kommen mir gleich die Tränen. Und ich habe ihn mir auf den Arm tätowieren lassen da war er drei Jahre alt. Und Leute haben gefragt ob er gestorben ist und ich so: Nein, nein, dem geht’s gut, er sitzt im Auto. Ich hab ihn einfach nur so verdammt gerne.“ (lacht).

Mittlerweile habt ihr neben den üblichen Ländern auch schon in Brasilien gespielt. Was für Erfahrungen habt ihr dort machen können?

Scott: Ich würde sagen Brasilien ist mit Abstand unsere größte Fanbase, was echt komisch ist. Und auch echt doof, weil der Dollar so niedrig steht, dass es kaum machbar ist das ganze finanziell zu stemmen. Davon abgesehen muss man zu jeder Show fliegen was es auch wieder teurer macht. Die Fans sind..also wenn du Brasilianer bist und etwas magst, magst du es zu 110%, du liebst es. Unsere Fans sind irre, super schade, dass wir nicht öfter hinkönnen. Wir bekommen total viele Emails und Nachrichten von dort wann wir denn wieder kommen. Wir waren zweimal dort, danach ging es mit dem Dollar bergab.

Und was verbindet ihr mit Berlin?

Scott: Berlin ist eine meiner deutschen Lieblingsstädte, doch die Fanbase hier ist definitiv die kleinste. Hier verkaufen wir immer die wenigstens Karten..vielleicht ist es ein Großstadtphänomen. Wobei ich sagen muss, dass es z.B. in London mittlerweile echt gut läuft. Trotzdem mag ich es in Berlin noch immer super gerne und unser Mischer hier im Club ist echt super.

Ihr habt als Surfband begonnen..kann man gut surfen in Victoria?

Scott: Japp, ca. eine Stunde Fahrt von mir gibt’s Hammerwellen, richtig gute Wellen. Kaltwassersurfen natürlich..also Ganzkörperneopren, Schuhe, Handschuhe usw. Da habe ich surfen gelernt. Ich war auch mehrfach in Indonesien, Australien,.. Dieses Jahr war ich bisher leider kaum surfen obwohl ich mir ein neues Board gekauft habe, meine Freunde machen sich schon lustig über mich. Ich hab momentan einfach viel zu tun und alles in allem sind es doch fünf, sechs Stunden Zeit die es kostet surfen zu gehen. Was wiederum total cool ist, dass du nicht alleine gehst sondern mit Freunden..so wie beim Snowboarden. Und es kostet nichts (grinst).

Der Bandname Current Swell hat übrigens nichts mit Surfen zu tun und trägt auch keinen „tieferen Sinn“. Er ist einfach entstanden, hat allen gefallen und klingt gut. Genauso wie noch andere Vorschläge zwischen denen sich die Band nicht entscheiden konnte und über längere Zeit auf ihrer provisorischen Webseite das Feld „Bandname hier“ frei ließ..bis per Anruf die Frage nach dem Bandnamen kam, da ein erstes Interview abgedruckt werden sollte. Die Entscheidung für Current Swell fiel binnen Sekunden und hat bis heute Bestand.

Was ist dein Lieblingssurf-Ort, wenn du aussuchen kannst?

Scott: Indonesien. Ich war dort fünf Mal..und ich bin nicht gläubig, aber das ist als hätte eine Macht gesagt: „Yep, diese kleine Inselansammlung ist nur für’s Surfen gemacht!“ Die Wellen sind dort einfach himmlisch, das Essen, die netten Menschen..ich kann es kaum erwarten wieder dort hin zu kommen. Obwohl man leider bei jedem Besuch neue negative Veränderungen sieht, das ist echt traurig.

Words: Mona Fette
Photo: Mike Pepperdine

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