ALICE PHOEBE LOU

März 2021 Interview - Aus Vintage mach Zeitgemäß

Als die in Berlin lebende Südafrikanerin Alice Phoebe Lou ca. 2014 erstmals die musikalische Bildfläche betrat, tat sie das stets mit originellen und überraschenden Konzepten und Prinzipien. Denn anstatt zu versuchen – wie alle anderen – ihre Musik über die heutzutage scheinbar so unausweichlichen Sozialen Medien zu propagieren oder gar auf die heute archaisch anmutende Methode zurückzugreifen, sich Plattenfirmen anzudienen, setzte sie stattdessen auf den direkten Kontakt zu den Menschen. Mit wilder Entschlossenheit und inspirierendem Indie-Geist setzte sie darauf, sich zunächst mal als Straßenmusikerin einen Namen zu machen – bevor sie dann daran ging, ihren musikalischen Output auch mit selbst verlegten Tonträgern zu dokumentieren, bis dann schließlich 2016 mit ihrem Debütalbum „Orbit“ auch ihre Laufbahn als Recording Artist begann.

Überraschen kann Alice Phoebe Lou auch heutzutage noch – nur tut sie das mit ihrem dritten Album „Glow“ heutzutage auf eine andere Weise. So orientiert sich Alice auf „Glow“ inhaltlich neu – nämlich mit einer Sammlung vielschichtiger Tracks, die sich im weitesten Sinn als Liebeslieder (bzw. Stücken, die sich mit dem Thema Liebe auseinandersetzen) bezeichnen ließen. Aber auch musikalisch wartet „Glow“ mit neuen Akzenten auf, denn anders als auf den zurückhaltend/atmosphärisch angelegten Vorgängeralben „Orbit“ und „Paper Castles“, klingen die neuen Stücke in etwa so konkret und druckvoll, wie sich Alice mit ihrer Band auch auf der Bühne präsentiert.

Wie Alice gerade auf facebook verkündete, hat sie sich inzwischen in Berlin ein eigenes Studio aufgebaut. Dort sind aber die Songs des Albums „Glow“ noch gar nicht eingespielt worden, richtig? „Ja - gerade bevor ich Weihnachten zu meinen Eltern nach Südafrika geflogen bin, habe ich Räume für ein Studio in Berlin gefunden, das ich mit meinen beiden Bandmitgliedern Daklis und Ziv Yamin in fünf Wochen renoviert habe“, berichtet Alice, „wir haben jetzt also einen eigenen Ort, Sachen aufzunehmen.“ Aber die Aufnahmen für Glow sollten doch ursprünglich in Kanada stattfinden, oder? „Genau, eigentlich hatten wir nach Kanada zu unserem Freund David Parry reisen wollen, mit dessen Band Loving wir in Nordamerika schon des Öfteren auf Tour gewesen waren – was aber aufgrund der Pandemie dann natürlich nicht mehr möglich war“, führt Alice aus, „er ist dann stattdessen nach Deutschland gekommen und wir haben das Castle-Studio in Dresden gefunden, wo es eine Bandmaschine und jede Menge alte Mikrophone und Verstärker gab Wir haben dann von David gelernt, wie man mit diesen alten Gerätschaften neue Sounds erschaffen kann.“

Das heißt, dass der Sound des Albums dann durch das Equipment bestimmt wurde? „Ja, die Aufnahmen für das Album begannen eigentlich schon, als ich 2019 eine Bandmaschine bekam und wir damit experimentierten“, erinnert sich Alice, „den ersten Song, den wir aufnahmen war 'Witches', den ich letztes Jahr veröffentlichte. Ich fand, dass das eine großartige Art ist, aufzunehmen – einfach weil kein Computer involviert war und man dann die Imperfektionen zulassen muss, weil jeder Song in einem Rutsch aufgenommen wird. Man bügelt da nichts mehr glatt, sondern lässt den Klang des Bandes wirken. Das hat mir wirklich gut gefallen. Das waren für mich ganz neue Erfahrungen.“ Ist das auch der Grund, warum David Parry dann das Album produzierte? „Ja, denn er ist zwar in meinem Alter, aber er hat wirklich gelernt mit analogen Bandmaschinen zu arbeiten“, berichtet Alice, „wir wollten dann die Aufnahmen dazu nutzen, von ihm zu lernen, wie man so etwas richtig macht.“

Aha – das erklärt dann vielleicht, dass das neue Album stimmungsmäßig zwar durchaus einen Vintage-Touch hat, musikalisch aber überhaupt keine Retro-Sentimentalität ausstrahlt. „Ja – denn wir wollten ja nicht die Sounds der 60's und 70's reproduzieren, sondern die Geräte aus der Zeit zu verwenden, um zeitgenössische Musik zu machen. Dabei wollten wir aber auch keine Puristen sein, sondern mit Synthies und Texturen Atmosphäre erzeugen. Wir haben dann – denke ich – ganz gut das Alte und das Neue zusammengebracht. Was wir aus dieser neuen Phase gelernt haben, nutzen wir dann auch sicherlich in unserem neuen Studio, wo wir das dann auch alles selbst machen können.“

In der Tat finden sich auf der neuen Scheibe interessante musikalische Akzente, die man eben nicht mit Nostalgiepflege in Verbindung brächte. Neben den erwähnten Synthies gibt es auch ein E-Piano, ein Omnichord, psychedelische Space-Sounds und nicht zuletzt jazzige Bläser-Einlagen. „Danke – und ja, das war mir wichtig“, freut sich Alice, „und wichtig ist, das nichts im Computer gemacht wurde. Das psychedelische Solo in dem Titeltrack 'Glow' haben wir zum Beispiel einfach mit ein paar Pedal-Effekten erreicht und indem wir den alten Fender-Verstärker voll aufgedreht haben. Und dann haben wir noch die Klarinetten und Flöten. Mein italienischer Musiker Paolo Guolo, der in der Live-Band Saxophon spielt, hat diese Instrumente beigesteuert. Wir wollten das Album ja eigentlich recht simpel halten, aber wir haben dann festgestellt, dass einige Tracks mit den Blasinstrumenten besser funktionieren, weil es ansonsten nicht so viel Textur auf dem Album gab.“

Alice reist ja jedes Jahr Weihnachten zu ihren Eltern nach Südafrika – so auch in diesem Jahr. Hat sie sich denn dort auch Musikalisch betätigt? „Ja“, bestätigt sie, „zwar war ich hauptsächlich dort, um meine Familie zu besuchen, aber ich habe auch an neuer Musik gearbeitet. Es geht um ein neues Album, das wir im Juni/Juli aufnehmen wollen. Ich habe auch auch an meinem anderen Musikprojekt Strongboi gearbeitet. Wir haben da Unterstützung von der 'Initiative Musik' erhalten, die uns auch mit der Einrichtung des Studios geholfen hat. Dabei arbeite ich mit meinem Keyboarder Ziv Yamin zusammen, der mir Ideen für Strongboi-Songs geschickt hatte, die ich dann weiter bearbeitet habe. Wir haben also sozusagen über die Kontinente hinweg zusammen Songs geschrieben.“

Man sieht schon: So richtig langweilig wird es Alice so schnell nicht werden – auch ohne die Möglichkeit, gerade auf Tour gehen zu können. Sie wird – wie alle anderen auch – diesbezüglich wohl einfach mal abwarten müssen.

Words: Ullrich Maurer
Photo: Andrea Rojas

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