CHRIS ECKMAN

Mai 2021 Interview - The Accidental Soul Searcher

Als Frontmann und Gründervater der Walkabouts, als Solo-Künstler oder im Duett mit seiner Walkabouts-Partnerin Carla Torgerson als „Chris & Carla“, zusammen mit Hugo Race und Chris Brokaw mit dem Projekt Dirt Music, seiner slowenischen Band The Frictions, diversen Kollaborationsprojekten – aber auch als gesuchter Produzent, Filmkomponist und nicht zuletzt als Mitbegründer des Weltmusik-Labels Glitterbeat gehört Chris Eckman ja gewiss zu jener Spezies von Musikern, die nicht vordringlich von Langeweile geplagt werden. Wahrscheinlich war er aber sogar selbst überrascht, als er im Laufe der Pandemie testweise nach längerer Zeit wieder ein Mal zur Gitarre griff und dabei dann gleich eine ganze neue Songsammlung entstand, die er nun auf seinem sechste Solo-Album unter dem Titel „Where The Spirits Rests“ als Soundtrack unserer Tage in Form von 7 recht episch ausgeführten, düster/dystopischen Akustik-Balladen zusammenfasste.

Eine klassische Rockscheibe ist „When The Spirits Rests“ also sicher nicht geworden. Tatsächlich hört sich das dann so an, als habe Chris versucht, Kurzgeschichten zu schreiben, die gar nicht so kurz sind über Charaktere, die er selbst sein könnten oder auch nicht.

Kann es also sein, dass Chris vorhatte, musikalische Charakterstudien zu schreiben?

„Ja – aber in dem Sinne, dass sie nicht an bestimmte Orte und Personen gebunden sind“, zögert Chris, „es sind eher interne Monologe, in denen die Beziehungen zu Orten oder Menschen recht vage ausformuliert sind. Die Charaktere und Beziehungen bleiben namenlos. Das ist von der Bedeutung her schon deutlich kryptischer – auch wenn die Worte selbst vielleicht sogar deutlicher sind - als meine üblichen Sachen. Das Gefühl für die Geschichte als solche ist aber auf jeden Fall definitiv weniger klar als sonst.“

Was für einen klassischen Geschichtenerzähler ja eine gewisse Herausforderung ist, oder?

„Genau“, bestätigt Chris, „es kann sein, dass ich mit meinen Gedanken da mitten in etwas hineinplatze und dabei jene Art von unstruktiertem Gelaber herauskommt, das etwa jemand spät Nachts in einer Bar von sich gibt.“ Das ist ja das Wesen von Monologen und teilweise auch Dialogen – dass sie ja eben nicht strukturiert sind. „Ganz genau“, pflichtet Chris bei, „da gibt es ja auch keinen Anfang und kein Ende.“

Eine Sache die auffällt, ist der Umstand, dass sich Chris in den neuen Songs mehrfach mit der Idee des Heimat-Gedankens beschäftigt – was ja nicht gerade typisch für einen amerikanischen Songwriter ist, da diese ja für gewöhnlich eher über das Reisen als die Heimkehr schreiben.

War das ein bewusst gewähltes Thema?

„Ich weiß das gar nicht - weil ja die meisten Texte einfach so aus mir herausgequollen sind“, zögert Chris, „vielleicht ist der Heimatgedanken sogar der, dass wir uns am Ende eines Weges befinden und auf der Suche nach der Frage, was als Nächstes passiert dann sogar herausfinden, dass die Heimat in uns selbst zu finden ist. Es geht also nicht um eine externe Heimat. Ich stimme Dir aber zu, dass die Typen nicht wirklich auf einer Reise sind. Nicht, dass sie eingefroren wären – es ist mehr ein Innehalten. Ein Innehalten zwischen dem Weitermachen und der Frage, ob man sich vielleicht bereits am bestmöglichen Ort befindet, denn immerhin wartet da draußen ja eine Welt des Unbekannten.“ Oder wie der Titel des Albums besagt: Der Geist ruht derweil.

Als Chris z.B. mit Carla das Album „Swinger 500“ machte, zeigte er sich angetan von der Idee, mit Keyboards zu arbeiten, um auf ganz neue musikalische Ideen kommen zu können. Nun greift er wieder zur akustischen Gitarre und nähert sich wieder seinen Ursprüngen.

Wie ist Chris das Album musikalisch angegangen?

„Also erstmal fühlte sich das wieder neu für mich an, weil ich es so lange nicht mehr gemacht hatte“, führt Chris aus, „seit 2013, als ich 'Harney County' rausbrachte hatte ich ja keine akustische Gitarre mehr angefasst. Im letzten Winter wandten sich die Menschen in der Pandemie ja dem zu, was sie kannten. Und in gewisser Weise war das auch bei mir so – es fühlte sich aber sehr frisch für mich an. Ich wollte auf jeden Fall nicht dieselben Songs wie sonst schreiben. Deswegen erscheinen die Songs auch so 'geduldig'. Es ging mir nicht darum, mein Gitarrenspiel zu revolutionieren, sondern Räume für meine Texte zu erschaffen. Und dann musste ich mir überlegen, was ich als nächstes machen wollte. Dann habe ich mir überlegt, mit diesem Elektronikspezialisten Alastair McNeill zusammenzuarbeiten, der gewisse Texturen hinzufügen konnte. Ich wusste gar nicht, ob ich mit meiner slowenischen Rhythmusgruppe Blaž Celarec und Žiga Golob arbeiten wollte – entschied mich dann aber doch dafür. Und dann habe ich ein paar Freunde gebeten, mir etwas zuzuschicken: Catherine Graindorge spielte Geige, Chris Cacavas E-Piano und Jon Hyde und der Komponist Chuck Johnson – von dem ich ein großer Fan bin, ihn aber noch nie in einem Songkontext gehört habe – spielten einige schöne Pedal-Steel-Parts ein.“

Was war dann für Chris die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

„Eine ganze Weile dachte ich gar nicht, dass ich an einer neuen Scheibe arbeitete“, erinnert sich Chris, „meine Herausforderung war dann für mich die, mich dazu entscheiden, dann doch eine Scheibe daraus zu machen. Dagegen habe ich mich lange gewehrt, denn das war für mich einfach so ein Ding, was ich für mich gemacht habe. Ich brauchte das ganze Drumherum eigentlich gar nicht. Für mich war es nicht offensichtlich, diese Entscheidung dann zu treffen eine LP zu machen, denn die Songs waren eigentlich in meinem Inneren – und hätten da auch ganz gut bleiben können, denn sie hatten einen gewissen therapeutischen Wert für mich. Wenn man dann eine Scheibe macht, muss man ja alles in Form bringen.“

Was hat dann zu der Entscheidung geführt, dann doch ein LP-Projekt zu machen?

„Ich wurde gebeten in der Lockerungsphase ein paar kleine Konzerte zu spielen“, berichtet Chris, „eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, 2020 Konzert zu spielen. Als es dann doch dazu kam, habe ich ein paar neue Songs eingestreut, obwohl mir natürlich klar war, dass sie sehr lang und düster waren. Dann kamen aber die Leute auf mich zu und meinten, dass sie die neuen Songs eigentlich sehr schön fänden und davon sehr berührt seien. Und dann wurde mir klar, dass ich da dann doch ein Album draus machen sollte – und habe das für mich akzeptiert.“

Und auf diese Weise wurde Chris Eckman dann am Ende auch noch zum zufälligen Seelenforscher. Betrachten wir das also mal als eher positiven Aspekt des Pandemie-Effektes.

Words: Ullrich Maurer
Photo: Jaka Babnik

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