DAILY THOMPSON

Januar 2021 Interview

Daily Thompson – bereit die Welt zu erobern, ausgebremst durch einen fiesen Virus. Das trifft das Dortmunder Trio besonders hart, ist es doch eine Band voller Leidenschaft, der Liveauftritte und ein enger Kontakt zum Publikum wichtig sind, ja ihr Lebenselixier zu sein scheinen. Dabei sind sie alles andere als überdreht oder überheblich, sondern genau das Gegenteil: auf dem Boden geblieben, stets kreativ und immer dabei sich musikalisch weiter zu entwickeln. Wir hätten vermutlich Stunden quatschen können und wären vom hundertsten ins tausendste gekommen. Sympathie auf ganzer Ebene - Höchstpunktzahl. Was nicht nur fürs menschliche gilt, sondern auch für ihre im vergangenen August erschienen, 4. Platte „Oumumua“.

Willkommen in Berlin. Ihr wärt ja jetzt nicht hier, wenn ihr den Plattenvertrag mit Arne vom Noisolution Label nicht abgeschlossen hättet. Hat Corona irgendwas an dieser Situation verändert?

Mephi: Nein, da hat sich gar nichts geändert. Wir haben uns sogar gewundert, dass Arne das einfach so trotzdem macht. Das einzige was uns zum Release natürlich fehlt, sind unsere Liveshows. Ansonsten gab es zum Glück gar keine Probleme.
Danny: Wir dachten schon... na ob Arne das überhaupt noch macht... Es war ja März, April als der Vertrag kam – genau als es richtig losging. Also haben wir schnell unterschrieben! (beide lachen)


Stichwort Corona. Das blöde Virus hat natürlich alles verändert. Welchen Einfluss hatte die ganze Situation auf die Entstehung der Platte?

Mephi: Direkt nach dem letzten Aufnahmewochenende ging das so langsam los, dass es dann hieß Corona-Einschränkungen. Die Italientour wurde gecancelt, dann die Spanientour und die Deutschlandtour im Mai. Das war dann erst mal ein Loch in dem wir saßen, so eine Art Depression. Mit dem Vertrag hatten wir aber auch endlich wieder Ziele vor den Augen, auch wenn wir in der ersten Corona-Woche viel Zuhause saßen und Akustikstücke gespielt haben.

Mephi und Danny wohnen zusammen, Matze, der Schlagzeuger ca. 200 m entfernt. Trotzdem war und ist Corona wie Hausarrest für die drei Musiker und die abgesagten Touren wie Spielplatzverbot. Das aktuelle Album „Oumuamua“ stand glücklicherweise bereits Ende März, blieb damit also unbeeinflusst von der pandemischen Gesamtsituation.

Eure Musik bezeichne ich mal übergreifend als Rock. (...beide nicken zustimmend.) Woher kommen die Einflüsse? Von dem was ihr selbst hört oder womit ihr aufgewachsen seid, euren Idolen... ?

Mephi: Danny kam vor der Gründung von Daily Thompson aus einer Punkrockband... ich auch, aus einer richtig unnützen Punkrockband. Da haben wir gesagt wir machen jetzt was woran wir wirklich Spaß haben und nichts Schnelles mehr. Wir sind eben Kinder der 90er, gar nicht so aus der Stoner Szene. Das kam dann alles erst mit der ersten Platte. Aber eben auch so Black Keys Einflüsse, das soulige, groovige..

Ich finde ein verdammt cooler, guter Mix. Sogar was eher ruhigeres, emotionales ist dabei...

Mephi: Ja genau. Wir versuchen ja nicht einen Song zu schreiben unter der Vorgabe „wir machen jetzt einen Stoner Song“, sondern es entwickelt sich. Umso mehr freuen wir uns, wenn jemand sagt: „Hey, das klingt wie Fu Manchu“ oder „es erinnert an Sonic Youth“. Es ist eben von allem ein bisschen was drin, eben was wir auch selbst gerne hören.

Danny: Man wird auch beeinflusst. Über die ganzen Jahre hinweg, haben wir monatelang hunderte Konzerte gespielt mit verschiedenen Bands. Überall nimmst du was mit, mal bewusst, mal unterbewusst. Die neue Platte ist etwas mehr psychedelisch und es sind einige lange Stücke dabei. (Eingefärbt von Dannys Pink Floyd Phase in der Zeit vor dem Album, wie Mephi einfügt.)

Mephi: Wir hatten dann auch einfach mehr Lust auf lange Stücke, die etwas mehr Platz einnehmen und mehr das Instrumentale zeigen. Ich glaube so entsteht immer unser Mischmasch auf den Alben. Das ist schon immer eine Art Wundertüte bei uns.


Konzeptalben oder ein roter Faden durch alle Songs, sind bei Daily Thompson nicht der Fall. Eher dreht sich jeweils ein Song um ein Thema. Dieses variiert von Themen eines Zeitungsartikels, über Eigenheiten von Bekannten bis hin zu Verschwörungstheorien. Was eben gerade spannend oder sowieso Thema untereinander ist.

Sollte bei dieser, eurer bereits 4. Platte, irgendetwas gezielt anders sein bzw. habt ihr gezielt etwas anders gemacht?

Danny: Was anders war, ist, dass wir nicht ins Studio gegangen sind. Sondern alles bei uns im Proberaum aufgenommen haben, weil wir keine Lust hatten wieder ein Studio zu mieten. Nicht nur wegen dem Geld, sondern wegen dem Gefühl. Du sitzt in einem fremden Studio... und wir haben einen großen Proberaum, da haben wir uns alles schön gemacht und verkabelt. Man kann sich Zeit lassen, da ist keiner der dir sagt: „So, du singst jetzt das Solo.“

Mephi: „..und Zeitfenster ist 11-19 Uhr.“

Danny: Das haben wir diesmal bewusst anders gemacht. Und es kommt super an und wir finden es auch super.

Mephi: Wir haben auch wieder live aufgenommen, alle zusammen gespielt. Nicht jeder einzeln. Das Album davor war einfach ein bisschen zu... naja, ...glatt poliert. Und jetzt fühlt es sich eher roh an, als wärst du dabei, während wir spielen.


Ungewöhnlich ist der letzte Song auf der Platte, das akustische Stück „River of a ghost“. Da unterstellt man einer Rockband gerne einen persönlicheren Text. Um was dreht sich der Song und wie kam er zustande?

Mephi: Ehrlich gesagt entstand der an zwei Wochenenden. Ich war mit Merch-Freunden unterwegs bei Deichkind und Danny alleine zuhause. Als ich leicht angeduselt nach Hause kam, meinte Danny: „Ich hab einen Song geschrieben, auf Akustikgitarre.“ Den hat er mir vorgespielt und ich fand den mega geil. Also haben wir den am nächsten Wochenende aufgenommen und er kam mit auf’s Album obwohl er nicht geplant war.

Sowas wie River of A Ghost entsteht also, wenn man Danny alleine zuhause lässt und er sich langweilt, Bier trinkt und Gitarre spielt - schon ziemlich witzig! Und total gelungen, wie ich finde. Die Percussions sind eine Bierkiste und andere Sachen, die sie im Studio gefunden haben. Der Song war schließlich nicht geplant...aber auf ganzer Linie kreativ und gelungen.

Mephi, soweit ich das beurteilen kann, bist du nach und nach in den Vordergrund gerückt innerhalb der Band. Also bist deutlich wahrnehmbarer geworden. Hast du dich am Anfang nicht so getraut...?

Mephi: Ja, tatsächlich war das gesanglich so ne Sache, weil ich halt keine typische Rockröhre bin wie man das so aus der Musik kennt. Ausserdem, bin ich selbst nicht mal so der Fan und hab mich daher anfänglich nicht so wirklichgetraut. Auf dem ersten Album hielt ich mich eher im Hintergrund und musste mich erstmal daran gewöhnen bzw. mich einsingen. Mit den Liveauftritten kam das dann immer mehr dazu und beim dritten Album hat es Klick gemacht. Es wird bestimmt auch immer mehr werden, aber Danny bleibt unser Hauptsänger. Es macht einfach Spaß mit den gesanglichen Möglichkeiten zu spielen – über Dialoggesang haben wir auch schon nachgedacht. Das wäre mal ne coole Sache. Zudem wächst man mit jedem Jahr, entwickelt mehr Selbstbewusstsein und, ja, es macht schon Bock.

Mephi mag ihre Gesangsparts eher ungezwungen. Kreativ was hinzufügen, wenn es passt, und kein auferlegtes „du musst doch singen“. Vor allem, da es ihr selbst so geht, dass sie weibliche Gesangsstimmen oft nicht so ansprechend findet oder schnell vom Sound genervt ist – eine Sache bei der wir uns vollkommen einig sind. Wir quatschen noch ein bisschen über Frauengesang, wie unterschiedlich da die Geschmäcker sind und dass eben jedes Genre seine eigene Qualität hat.

Wie beurteilst du eigentlich die Situation von „Frauen in der Musikszene bzw. Rockmusik“, allgemein und für dich ganz persönlich?

Mephi: Es ist natürlich Fakt, dass es weniger Frauen gibt. Vor allem in der Rockmusik. Ich denke auch man sollte sich da mehr trauen Trotzdem habe ich ein Problem damit, wenn du eine All-Girl Band hast und die nur dafür gefeiert werden und musikalisch nichts können. Natürlich sollen die machen und es gibt auch Männer, die nichts können, aber ich denke eben man sollte für’s Können beurteilt werden – egal wer du bist oder was. Trotzdem ist es schon so, dass du anders behandelt wirst. Du wirst schnell degradiert, als Merch-Maus oder Hiwi abgestempelt, weil ja klar ist, dass die Jungs die Band sind. Oder es gibt mal ekelhafte Sprüche von Veranstaltern und Besuchern.
Dass man da als Frau auch durchaus ein dickeres Fell braucht und für sich einstehen muss, wird schnell klar. Vor allem die jüngeren und mädchenhafteren Typen sind aus Mephis Sicht die Gefährdeten. Trotzdem bleibt sie bei ihrer Meinung, dass jede und jeder eben für seine qualitative Arbeit in der Musik gefeiert werden soll – nicht für das Geschlecht. Sie selbst ist froh in einer gemischten Band zu spielen und ihre Jungs um sich zu haben. Wir alle sind uns außerdem einig, dass dringend ein Umdenken in der Szene stattfinden muss. Auch um den Musikerinnen ein sichereres Gefühl zu vermitteln und sie wissen zu lassen, dass sie für ihre künstlerische Leistung und nichts anderes beurteilt werden. (Nein, wir haben natürlich keine halbe Stunde über dieses Thema geredet, haha.)

Was bedeutet eigentlich der Albumtitel „Oumuamua“? Er kommt nicht aus dem oberbayrischen Dialekt, wie man vermuten könnte...

Danny: Oumuamua ist der Hawaiianische Ausdruck für Cosmic Cigar. Und das ist ja der Name für diesen interessant geformten Brocken im Weltall, der für Aufsehen gesorgt hat. Ich hab das im Fernsehen gesehen und fand das ne coole Inspiration für einen Song bzw. für das aktuelle Album. Mal was ganz anderes, kein Standardtitel.

Nochmal zurück zur Musik bzw. eurern Liveauftritten. Ihr seid ja sozusagen das beste Beispiel, dass wenn man sich „live den Arsch abspielt“, so wie ihr das seit Jahren macht und dazu noch eine ungewöhnliche Fannähe zeigt... dies der beste Weg ist, sich zu einer festen Szenegröße zu entwickeln und Erfolge zu feiern... Das alles verlangt Engagement und Herzblut...

Danny: Ja, dafür macht man es ja, davon abgesehen, dass wir damit auch das meiste Geld verdienen. Es geht darum, voll dabei zu sein, zu sehen wie es ankommt. Was nützt dir der beste Song, wenn du ihn nur im Studio spielst. Es ist genau das was uns gefällt, wenn du oben auf der Bühne stehst und ins Publikum schaust und dich freust, dass du das morgen gleich wieder machen darfst. Mephi: Das ist jetzt natürlich komisch mit Corona, bestuhlte Konzerte. Man merkt den Leuten fehlt was, ausverkaufte Konzerte, dass die Leute nur sich und nicht dich und deine Instrumente mit Bier besudeln ist schon seltsam.

Gibt’s eigentlich sowas wie ein gemeinsames Ritual vor der Show?

Danny: Wir haben uns angewöhnt tatsächlich vorher mal nen Schnaps zu trinken. Einen kleinen Booster.. Mephi: Dann aber meistens auch was landestypisches, z.B. Grappa in Italien, Obstler in Bayern... eben was die Spezialität ist. Einen kurz vor der Show... ja, das ist schon ein Ritual. Vor allem, weil wir sonst so gar keinen Schnaps trinken.

Abschließende Worte von Mephi: Lass die Kultur systemrelevanter sein, bitte! Beide wünschen sich, dass die Kultur nicht so komplett ignoriert wird und es bessere Unterstützung für Künstler gibt.

Words: Mona Fette

Header-Photo: Mona Fette

Live-Photos: ROADTRACKS - OBS 2018

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