INDIGO SPARKE

Mai 2021 Interview - Nicht aus dieser Welt

Die australische Songwriterin Indigo Sparke gelangte auf Umwegen zu ihrer eigentlichen Berufung. Denn bevor sich die weltenbummelnde Troubarourin mit eigenen Songs präsentierte und dann im Gefolge ihrer Partnerin Adrienne Lenker und als Support für deren Band Big Thief auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, hatte sie sich bereits als Schauspielerin versucht. Als sie sich mit Anfang 20 dann das Gitarren-Spielen beibrachte, wurde dann allerdings deutlich, dass die nach dem Song „Mood Indigo“ von Duke Ellington benannte Liedermacherin die Musik als ihre eigentliche Berufung betrachtete und von nun an ihre Gedanken in Form poetisch/philosophischer Indie-Folk-Songs zusammenzufassen gedachte. Nachdem sie 2016 eine erste Songsammlung auf der EP „Nightbloom“ veröffentlichte, folgte mit Reisen durch Australien, Bali und zuletzt die USA eine Phase der Selbstfindung und Inspiration. Als sie mit Adrienne Lenker 2019 durch die USA reiste entstanden dabei dann auch die Songs, die nun auf ihrem offiziellen Debütalbum „Echo“ zu finden sind.

Was führte dann zu den Songs, die nun „Echo“ ausmachen?

Indigo reiste ja durch die USA, während sie die Songs schrieb. War das eine direkte Inspirationsquelle? Indigo schrieb zum Beispiel den Song „I Drove The Car Around The Block“, nachdem sie auf Anraten einer Freundin erstmalig ein amerikanisches Auto gefahren war – und dabei von der Gangschaltung und Tatsache, dass sie auf der für sie falschen Seite der Straße fahren musste, ausgebremst wurde. „Das war eine wörtlich zu nehmende Inspiration“, erklärt sie das, „im Allgemeinen denke ich einfach, dass ich darin schwelgte, voller Ehrfurcht über die Unbeständigkeit von Liebe und Leben und Tod und Trauer zu reflektieren und das auf mich zurückgeworfen zu sehen – wie die sich verändernden Landschaften und Jahreszeiten, durch die ich mich während dieser Zeit bewegte. Es ist fast unmöglich, nicht über solche Sachen nachzudenken, wenn Du Dich beispielsweise aus der Wüste direkt in den Schnee des tiefen Winters begibst.“ Also einfach ausgedrückt: Es geht um den Lauf der Zeiten? „Ich denke schon“, stimmt Indigo zu, „ja, doch gewiss!“

Gibt es eigentlich eine konkrete spirituelle Note in Indigos Musik?

Sagen wir mal mit Bezug auf die Natur als spirituelle Einheit? Das würde nämlich ganz gut zu der ätherischen Note ihrer leicht unwirklich wirkenden Musik passen. „Absolut“, pflichtet sie bei, „manchmal ist es nämlich so, dass ich die Sache methodische und praktisch betrachte – was für mich eine große Herausforderung ist, weil mich das intellektuell beschäftigt und ich mich damit schwer tue. Das finde ich sehr schwer und dann lasse ich diesen Ansatz liegen und warte lieber auf die Momente, in denen ich eine spirituelle Verbundenheit mit der Natur verspüre oder in denen ich offen dafür bin, dass mich etwas durchfließt. Was dabei nämlich herauskommt, fühlt sich wesentlich verbundener an.“

Und was ist dann mit der Religion?

„Nun“, zögert Indigo, „ich weiß nicht, ob ich mich als Atheistin bezeichnen sollte. Ich denke eher, dass ich an irgend eine universelle, kosmische Energie glaube. Es ist ja auch etwas Schönes daran, zu glauben, dass es etwas Größeres geben könnte, denn ich denke das vermittelt eine Art Hoffnungsgefühl. Alles bewegt sich schließlich irgendwie auf eine Weise, die es ermöglicht, sich einfach hinzugeben. Es kann nämlich manchmal sehr schwer sein, sich der Vorstellung des Unbekannten zu ergeben und sich vorzustellen, wie Dein Leben aussehen könnte, wenn es einen schönen großen Plan gäbe, von dem wir allen nichts genaues wissen. Weißt Du – es gibt so viele verschiedene Namen dafür und manche Leute nennen es 'Gott'. Es ist schwer, so etwas in Worte zu fassen.“

Da wir jetzt gerade bei den: Konfrontiert mit den wunderlichen, mystischen Videos von Indigo, meinte der Roadtracks-Redakteur Volker nämlich treffend: „Indigo ist nicht von dieser Welt“. Wenn man dann noch bedenkt, dass sie in ihrem älteren Song „Sketches Of Love“ davon singt, wie Alice mit geschlossenen Augen durch das Kaninchen-Loch ins Wunderland zu krabbeln, dann liegt die Vermutung doch nahe, dass Indigo zumindest auf der Suche nach einer besseren Welt ist.

Ist Indigo also eine Art Alice im (musikalischen) Wunderland?

„Das ist witzig, dass Volker das erwähnt mit dieser anderen Welt“, erklärt Indigo, „denn als ich ein Kind war, sagte ich ständig zu meiner Mutter, dass ich glaubte, nicht von dieser Welt zu sein, denn ich fühlte mich nicht sehr wohl in meiner Haut. Und die Sache mit Alice in Wonderland ist tatsächlich eine gute Weise, auszudrücken, was ich fühle. Das Kaninchen-Loch führt in meinem Fall allerdings eher in mich selbst hinein und ich weiß nicht, wohin ich da gelangen werde.“

Das lässt sich doch sicherlich kreativ nutzen, oder? Wonach sucht Indigo denn tatsächlich, wenn sie in das Kaninchen-Loch kriecht? Wonach sucht sie in ihren Songs?

„Nun, das ist eine ganz intuitive Angelegenheit für mich“, überlegt sie, „ich glaube aber, dass ich nach irgend einer Art von Wahrheit suche. Etwas, das sich für mich sehr real und greifbar anfühlt. Etwas, das zu den Vibrationen dessen, was ich fühle passt. Ich denke, dass ich diese Empfindung dazu nutze, sie mit meinen Erfahrungen in der realen Welt zu versöhnen oder abzugleichen. Es hat etwas tröstliches für mich. Ich suche nach etwas, das Sinn für mich macht.“

Ist es denn für Indigo überhaupt möglich, festzumachen, worüber sie da resümiert? Oder sind das assoziative Gedankengänge und Empfindungen?

„Tatsächlich sind das manchmal assoziative Dinge“, bestätigt sie diese Vermutungen, „manchmal schreibe ich Songs, von denen ich nicht genau weiß, worüber ich schreibe oder was ich fühle. Ich höre mir das dann Monate oder Jahre später an und merke erst dann, was es war, das mich bewegte diese Sachen zu schreiben. Beispielweise schreibe ich etwas – und erlebe genau das dann später und kann dann erst sagen, was es war. Das ist auf gewisse Weise sogar prophetisch.“

Tatsächlich lässt sich Indigo's Songs in diesem Sinne ja eine gewisse unfertige Qualität attestieren, oder?

„Ja das ist auf gewisse Weise schon so“, meint Indigo, „es ist allerdings schwierig zu sagen, denn wenn man als Künstler etwas erschafft, dann möchte man schon sicherstellen, dass die Sachen, die man macht eine Art von Auflösung vermitteln. Andererseits weiß ich nicht, ob sich irgend etwas jemals wirklich fertig anführt, denn nichts ist ja wirklich beendet, bevor man stirbt – und wer weiß, was danach passiert. Es gibt da also in meinen Songs ein gewisses Gefühl eines offenen Endes und einen klaren Schlusspunkt gibt es nicht.“

Was uns zu der Frage bringt, für wen Indigo denn ihre Musik macht?

„Also ich fühle gar nicht, das ich meine Musik nur für mich selbst mache“, überlegt Indigo, „obwohl ich natürlich einen gewissen Trost in dem Gedanken finde, dass ich mich auf diese Weise ausdrücken kann. Aber ich denke auch, dass das gar nicht in meiner Hand liegt. Meine Musik kommt von einem Ort, den ich nicht kontrollieren kann. Ich hoffe aber schon, dass ich eine Welt erschaffe, in der die Menschen eintauchen können und darin ihre eigene Geschichte oder Gefühlswelt oder Landschaft wiederfinden können.“

So, wie Indigo arbeitet, kann es ja nicht um eine bewusste Steuerung des Prozesses gehen. Als Musiker muss man ja aber irgendwie gestaltend eingreifen. Wie macht Indigo das denn?

„Ach das versuche ich selber immer noch herauszufinden“, seufzt sie, „an manchen Tagen fühle ich mich schon so, dass ich denke, das ich alles kontrollieren kann – an anderen Tagen läuft alles aus dem Ruder und es fällt mir wirklich schwer, eine Struktur in dem, was ich mache zu finden – oder Disziplin. Es gibt aber praktische Aspekte, die man als Musiker kontrollieren kann – wie man die Gitarre spielt etwa oder was man mit dem Instrument seiner Stimme machen kann. Es gibt also technische Dinge, auf die man sich verlassen kann. Da gibt es aber noch viel, was ich lernen muss.“

Ist es denn so, dass Indigo nach Herausforderungen sucht, wenn sie Songs schreibt?

„Definitiv“, sagt sie, „ich versuche zum Beispiel immer noch herauszufinden, wie ich meine Identität als Musikerin finden kann. Ich denke aber, das läuft auf eine interessante Balance hinaus, von außen auf die Musik-Industrie zu blicken und neugierig und interessiert zu sein an dem, was andere Musiker machen – sich dann aber nicht zu vergleichen, denn das ist gefährlich und limitierend. Wenn man sich in seine eigene kreative Welt zurückzieht und dabei ständig daran denkt, was andere machen, dann blockiert Dich das. Ich muss mich dann selbst daran erinnern, das zu machen, was sich für mich gut und richtig anfühlt. Was dann dabei herauskommt, ist gut – so lange es ehrlich und aufrichtig ist. Wenn ich versuche, einen Song in einer Art zu schreiben, wie er von jemand anderem geschrieben wurde, der mich inspiriert hat, funktioniert das nicht – weil es nicht authentisch ist.“

Und sehr viel authentischer als Indigo Sparke kann man dann ja auch wohl kaum sein.

Words: Ullrich Maurer
Photo: Magnolia Minton Sparke

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» Youtube: Video: „Colourblind“
» Youtube: Video: „Everything Everything“
» Youtube: Video: „The Day I Drove The Car Around The Block“