KARANOON

April 2021 Interview - Futter für die Seele

Aha. Man kann also auch in Zeiten von Pandemie und Kultur-Lockdown noch als Musiker(in) durchkommen. Jedenfalls dann, wenn man sich – wie z.B. die gerade von Osnabrück nach Essen migrierte Songwriterin Sophie Chassée - ordentlich abrackert und sich auf möglichst viele Standbeine stützt. So engagiert sich Sophie – außer als Songwriterin und Gitarristin – auch als Bassistin, Gitarren- und Basslehrerin, Sessionmusikerin und Zupfinstrumentenbauerin (zwar ohne Abschluss, aber mit jeder Menge Enthusiasmus). Gerade eben erst hat Sophie zum Beispiel ihr brillantes, neues Album „Lesson Learned“ veröffentlicht – da steht sie auch schon - zusammen mit ihren Studien-Freundinnen – Sängerin und Keyboarderin Marlene, Bassistin Hanna und Drummerin Monti - als Songwriterin und Gitarristin mit dem Bandprojekt Karanoon in den Startlöchern.

Seit 2019 machten die Damen bereits als Karanoon die Bühnen unsicher – nutzten dann aber die Pandemie-Pause dazu, die zunächst auf digitaler Basis vorliegende Debüt-EP (bzw. Kurz-LP) „Nourish My Mood“ mit immerhin 6 Tracks einzuspielen. Anders als bei Sophies Solo-Arbeiten handelt es sich bei der Musik von Karanoon nicht um filigran und virtuos vorgetragene Folksongs mit Blues- und Westcoast-Flair, sondern um flott groovenden, dezidiert organisch angelegten, Soul-, R'n'B- und Jazzpop mit elektrischer Note und internationalem Flair. Letzteres ist Sophie dabei besonders wichtig, wie sie uns – stellvertretend für ihre Bandkolleginnen – erklärt; denn Karanoon betreiben ihr Geschäft schon mit der nötigen Professionalität und Ernsthaftigkeit.

„Na ja wir haben uns alle in Osnabrück beim Studium kennengelernt und wir sind auch alle professionelle Musikerinnen“, erläutert Sophie, „insofern geht es da nicht um eine Hobbyband im Proberaum. Für mich ist das – neben meiner Solo-Laufbahn – mein zweites Standbein und auch ein Haupt-Projekt und auch für die anderen ist es das Haupt-Projekt. Die Band hat sich aus der Idee heraus formiert, dass wir alle dieselbe Art von Musik machen wollten. Da das, was wir machen, in Deutschland ja eher selten gemacht wird, wollten wir diesen internationalen Charakter haben – mit R'n'B-Einflüssen, Soul und eingängigem Pop. Wir hatten alle dieselbe Vision, haben uns dann in der Mitte getroffen und uns gesagt: 'Let's do it!'.“

Dass sich die Damen musikalisch für R'n'B, Soul und Jazz entschieden haben, hat auch mit dem Bedürfnis zusammen, sich von anderen deutschen Acts abzusetzen. „Nicht Deutsch klingen zu wollen“, betrachtet Sophie z.B. als Herausforderung in ihrem Metier. Dabei lassen sich Karanoon inspirieren von der gerade aktuellen, jungen alternativen Jazz-Szene in London, in der Acts wie Mahalia, Izzy Bizu oder Tom Misch zeigen, wie sich dieser Strömung immer wieder auch aktuelle Impulse entlocken lassen.

Ist das dann auch die Musik, mit der die Mitglieder von Karanoon groß geworden sind?

„Gute Frage“, überlegt Sophie, „ich denke aber doch – vielleicht bis auf unsere Bassistin Hanna, die eher so aus dem Punk-Rock-Bereich kommt und vielleicht irgendwann auch mal wieder eine Rockband gründen will – was aber eine andere Geschichte ist.“

Bei dem Projektname Karanoon handelt es sich um ein Phantasiewort, das zwar von einem Hündchen namens Kara inspiriert wurde – aber keine eigentliche Bedeutung hat, sondern des coolen Klangs wegen ausgesucht wurde. Bei Karanoon geht es überhaupt oft um den Klang. Die Karanoon-Texte sind dabei zum Beispiel weit weniger spezifisch und persönlich als etwa bei Sophies Solo-Songs.

„Ja, das stimmt“, pflichtet Sophie bei, „wir schreiben unsere Songs ja auch zusammen. Vorwiegend suchen wir uns ein Thema aus, über das wir dann schreiben. Bei 'Upside Down' geht es zum Beispiel um Depressionen. Bei 'Cocaine' haben wir einfach nach einem coolen Wort gesucht und Marlene – die die Texte als Sängerin ja erst mal grob vorschreibt, bevor wir ihnen dann den Feinschliff geben – sagte dann, dass man das ja auch gut metaphorisch benutzen könne. Es geht in dem Song also gar nicht um Drogen, sondern – im metaphorischen Sinne – eine Abhängigkeit in einer Beziehung; platt gesagt, wenn man total verrückt ist nach jemandem. Der Klang der Worte spielt bei uns überhaupt immer eine große Rolle. Das war z.B. bei dem Song 'Oblivion' ausschlaggebend. Da gab es erst das Wort und dann die Thematik.“

Bei der Art von Musik, die Karanoon spielen, müssen die Texte vermutlich ja auch eher an der Rhythmik als am Inhalt ausgerichtet werden, oder?

„Auf jeden Fall“, bestätigt Sophie, „das kann die Marlene aber auch richtig gut. Die passt das dann beim Texten auch an die Musik an.“

Kommen wir mal zum Namen der EP. Diese heißt ja „Nourish My Mood“. Ist das nicht vielleicht sogar so etwas wie das Leitmotiv für Karanoon?

„Auf jeden Fall“, bestätigt Sophie, „das ist auch eine Textzeile aus dem Song 'Cocaine'. Da dachten wir auch, dass das cool klänge und perfekt zu dem passt, was wir vermitteln wollen. Wir haben uns dann gesagt: 'Nehmen wir' – und haben damit ja sogar noch ein verstecktes Osterei Special Effekt auf der EP.“

Wie auch bei Sophies eigenen Songs zeichnet sich die Musik von Karanoon dadurch aus. Dass hier nicht die zweifelsohne vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten der Musikerinnen im Zentrum stehen, sondern die Songs als solche. Auch wenn jene von Karanoon vielleicht weniger Story-orientiert sein mögen, als die von Sophie. Was zeichnet denn für Karanoon einen guten Song überhaupt aus?

„Das, was für mich und die Band absolut das 'A' und 'O' ist, ist jeweils die Frage, was wirklich dem Song dienen könnte“, erklärt Sophie, „es geht also nicht um irgendwelche Schlagzeugsoli oder Gefrickel oder so etwas. Es geht darum, das Gefühl zu transportieren und sicherzustellen, dass das die Emotionen beim Hörer dann auch ankommen.“

Wie ist die Scheibe denn aufgenommen worden? Sie hört sich ja an wie ein mitgeschnittenes Live-Konzert. „Das ist lustig, dass Du das sagst, denn wir haben die Aufnahmen der EP tatsächlich als One-Takes eingespielt“, gesteht Sophie, „der Live-Charakter sollte also schon zu hören sein – und die Zusatz-Sounds wie Pads, Prophet und was da alles noch hinzugefügt wurde, kommen dann eben später noch dazu. Uns war wichtig, dass die Grund-Struktur dann diesen Live-Charakter hat Produziert hat das Album Timo Xanke aus Osnabrück. Das Coole war, dass wir ihm sagen konnten, was wir haben wollen – wie zum Beispiel bei dem Underwater-Song den Unterwasser-Sound; weil es eben total offensichtlich ist. Wir haben dann gefragt, ob wir da was mit der Stimme machen könnte, ob man Filter drauflegen könnte oder wie man Tropfgeräusche hinbekommen könnte - und er hat das dann umgesetzt und konnte sich da richtig gut reinfühlen.“

Wie geht es weiter mit Karanoon? Was Live-Konzerte betrifft, kann man ja momentan nicht sagen. Aber ist vielleicht eine LP angedacht – oder wird es bei dem EP-Format bleiben? „Also unser Plan ist, dass noch eine zweite EP kommt“, verrät Sophie, „wir haben auch schon überlegt, die bestehende EP zu einer LP auszubauen. Das haben wir aber erst mal nicht weiter verfolgt, denn aufgrund der andauernden Lockdown-Situation arbeiten wir über Zoom-Meetings auch gerade wieder an neuen Songs und dann werden wir auch erst mal neue Musikvideos und neue Fotos machen um digital die Sichtbarkeit erhöhen zu können. Und wenn wir dann wieder etwas Geld gesammelt haben, dann können wir daran denken, eine neue Produktion anzugehen.“

Words: Ullrich Maurer
Photo: Pressefoto

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