LEAH BLEVINS

August 2021 Interview - Weg mit dem Ego!

Im Amerikanischen Süden gibt es ja die tief verwurzelte Tradition des kirchlichen Gesanges im Spiritual- oder Gospel-Stil. Das geht weit über das hinaus, was wir hierzulande mit dem Begriff „Kirchenchor“ verbinden und ist oft genug der Grundstein, auf dem viele Musiker später ihre Karriere aufbauen. Die aus Kentucky stammende, in Nashville ansässige Songwriterin Leah Blevins gehört zweifelsohne zu dieser Kategorie. Bereits als Kind sang sie mit ihren Schwestern und den Eltern im Kirchenchor und sammelte im Folgenden als Session- und Backing-Sängerin erste Erfahrungen, bevor sie sich dann daran machte, erste eigene Songs zu schreiben – und zwar nicht etwa im Gospel- oder Country-Genre, sondern von vorneherein in einem stilistisch breit gefächerten Americana-Setting. Dieser Prozess verlief allerdings nicht ganz reibungslos und dauerte recht lang, denn nachdem sie bereits vor fünf Jahren ihre erste EP „Runnin“ veröffentlichte, dauerte es bis heute, bis sie dich daran machte, mit ihren Kollegen Paul Cauthen und Beau Bedford als Co-Produzenten ihr Debüt-Album „First Time Feeling“ einzuspielen.

Was war der Grund für diese lange „Wartezeit“?

„Ich habe 2015 und 2018 zwei EPs veröffentlicht. Aber das fühlte sich für mich nicht so an als hätte ich bereits den Sound gefunden, wonach ich suchte“, erklärt Leah, „Ich suchte damals vielleicht auch noch nach meiner Stimme. Zum Glück habe ich dann Paul Cauthen und Beau Bedford getroffen, die dann meine Scheibe schließlich co-produzierten. Mit Paul Cauthen bin ich zusammengetroffen, als wir zusammen bei einer Van Morrison-Tribute-Show in Nashville aufgetreten – und wir sind danach in Kontakt geblieben.“

Paul Cauthen – der selber auch als Songwriter tätig ist - lud dann Leah Blevins nach Texas ein und buchte eine Session in dem Modern Electric Studio in Dallas. Um sich auf diese Session vorzubereiten, checkte Leah in einem Hotel ein, wo Sie Muße hatte, an ihren Songs zu arbeiten. Das ist insofern eine interessante Randnotiz, als dass Paul Cauthen 2019 seine letzte LP „Room 41“ auch im Zimmer eines Hotels vorbereitet hatte.

Rührt daher vielleicht die musikalische Kompatibilität zwischen Leah und Paul her?

„Ja – das war ungefähr so“, bestätigt Leah diese Vermutung, „Paul hatte mich im Zimmer 14 des Bellmont-Hotels eingebucht. Wir haben zwei Sessions gemacht und ich bin die ganze Zeit während der Aufnahmen dort geblieben. In dem Raum gab es keinen Fernseher und ich musste mich also quasi mit der Musik beschäftigen, während ich darauf wartete, aufnehmen zu können. Zuvor hatte Paul mich mit auf Tour genommen und mir seine neue Scheibe, die er damals gerade herausgebracht hatte, vorgespielt. Und da habe ich mir gedacht, dass das exakt das ist, was ich selbst machen wollte. Das war genau der Sound, dem ich hinterher jagte und den ich so gerne selbst hätte. Paul hat dann nach dieser Tour vorgeschlagen, eine Scheibe zusammen zu machen – und genau das ist dann ja auch passiert.“

Was hat Leah denn schließlich davon überzeugt, dass der Ansatz mit Paul Cauthen zu arbeiten, für sie der richtige sei – während sie sich zuvor eben diesbezüglich noch nicht sicher war?

„Das passierte ziemlich selbstverständlich“, überlegt Leah, „das war ja alles nicht so geplant. Aber zusammen mit den Jungs in einem Raum in Texas abzuhängen war für mich eine neue Spielwiese, die sich zu einer Art Familien-orientierten Erfahrung ausgewachsen hat. Als ich mit Beau und Paul in einem Raum saß, fühlte sich das einfach richtig an. Ich weiß, dass sich das emotional ziemlich generisch anhört, aber es war eben genau das. Es war nicht zu kompliziert, sondern sogar recht einfach – und mir wurde klar, dass das für mich der Beginn einer Phase war, in der ich einfach noch bessere Scheiben machen könnte.“

In Leahs Bio heißt es, dass sie das autobiographisch angelegte „First Time Feeling“ als „Schnappschuss ihrer Zwanziger“ betrachte sich selbst eher als Dichterin denn als Musikerin.

Ist das so richtig?

„Dazu würde ich definitiv 'ja' sagen“, bestätigt sie das noch ein Mal,“schon als kleines Mädchen habe ich begonnen ein Tagebuch zu führen und ich habe immer Wörter formuliert. Ich war immer davon fasziniert, wie Wörter so viele verschiedene Bedeutungen haben können. Ich würde also sagen, dass ich zuallererst eine Dichterin und eine Autorin bin. Und als Sängerin orientiere ich mich dann an der Melodie.“

Was zeichnet denn für Leah überhaupt einen guten Song aus?

„Ooh“, meint sie, „für mich ist das Wichtigste immer die Melodie. Eine Melodie, die einen berührt. Und offensichtlich liebe ich ja Texte. Ich mag Ohrwürmer, die Dich in den ersten 30 Sekunden mit ihrer Melodie mitnehmen. Es kommt aber auch auf den Gemütszustand an. Wenn ich zum Beispiel bedrückt aufwache, dann will ich ja eher einen traurigen Song hören.“

Viele von Leahs Kolleg(inn)en sagen ja, dass Gedichte und Songtexte etwas grundsätzlich Unterschiedliches seien. Wie sieht sie das denn?

„Ich denke, dass ich mich immer gut da reinfinden konnte“, überlegt Leah, „ich musste das nie kategorisieren. Für mich war es immer das Gleiche und ich fühlte nie, dass ich da einen Unterschied machen müsste. Für mich kann es jedenfalls das Eine nicht ohne das Andere geben.“

Leah agiert ja in einem konventionellen Setting, in dem so ziemlich alles schon mal ausprobiert worden ist.

Was ist denn die größte Herausforderung als Songwriterin für Leah?

„Genau das, was Du da ansprichst“, meint Leah, „in der Realität, in der wir leben, kann jeder singen, jeder kann spielen und niemand ist besser oder schlechter als der andere. Ich denke, das Einzige, was eine Herausforderung ist, ist zu verhindern, dass Dein Ego Dir nicht im Wege steht, wenn es darum geht, etwas in Deinen Songs zu vermitteln. Das ist die Bürde, die wir als Songwriter auf uns nehmen müssen: Das Ego beiseite zu lassen.“

Aber als Performing-Artist muss man doch ein gewisses Ego haben, um sich auf der Bühne präsentieren zu können, oder?

„Ja genau – und deswegen ist es ja so wichtig, darauf zu achten, dass Dich das Ego nicht behindert, sondern Dir eher hilft.“

War die Produktion eigentlich von der Pandemie betroffen?

„Ja, das war sie“, berichtet Leah, „ich will jetzt nicht unsensibel klingen – aber ich war dankbar, dass wir wegen der Pandemie die ganze Sache zunächst auf Eis legen mussten, denn das ermöglichte mir das Ganze noch einmal neu einzuschätzen, mir klar zu werden an welchem Punkt ist war und mir zu überlegen, wie das alles ablaufen sollte, denn ursprünglich sollten wir das Projekt Anfang 2020 herausbringen. Eigentlich war der Aufschub dann also genau das, was wir brauchten.“

Leahs Songs haben einen stark persönlichen, biographischen Charakter.

Sind das dann alles reale, persönliche Geschichten in ihren Songs – oder stecken da auch eine Prise künstlerischer Freiheit oder gar erfundene Charaktere drin?

„Für mich gilt da alles“, meint Leah, „oft schaue ich mir zum Beispiel oft einen Film an und übernehme dann etwas daraus. Der Song 'Little Bird' entstand zum Beispiel, nachdem ich mir den Film 'Pretty Woman' angeschaut habe. Aber natürlich zehre ich auch von Lebenserfahrungen und eigentlich allem, das mit auffällt und mich inspiriert. Ich bin sehr eifrig, wenn es darum geht, meine Gedanken niederzuschreiben. Ich bin so etwas wie ein natürlicher Beobachter und halte meine Augen ständig auf. Und dann habe ich auch Textzeilen in meinem Journal, die ich dazu verwende Songs auszufüllen. Das ist aber immer ein wenig anders. Wenn ich mich zum Schreiben hinsetze, dann habe ich jedenfalls kein bestimmtes Format im Kopf. In der Welt des Kollaborierens betritt man hingegen einen Raum mit einer fremden Person und entwickelt dann einen Song gemeinsam. Es kommt halt darauf an.“

Was ist denn letztlich der wichtigste Aspekt des Albums „First Time Feelings“ für Leah persönlich?

„Für mich am wichtigsten ist für mich der Aspekt der Verwundbarkeit bei diesem Projekt“, meint Leah, „also wie verletzlich das alles ist. Ist das gut oder nicht?“

Words: Ullrich Maurer

Photo: Robbie Klein

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