LILY AMONG CLOUDS

Januar 2021 Interview

Zwei Jahre nach „Aerial Perspective“ legt Elisabeth Brüchner alias Lilly Among Clouds mit ihrem zweiten Album „Green Flash“ nach und begeistert mit abwechslungsreichen Sounds, von emotionalen Klavierballaden bis zu modernem Pop. Erneut überzeugen auch ihre außergewöhnliche Stimme sowie tiefsinnige Songtexte. Im Interview erzählt die Würzburgerin von ihrem neuen Album, ihrer Teilnahme am ESC-Deutschland-Vorentscheid und ihren Plänen für die Zukunft.

Vergangenen September hast du dein zweites Album „Green Flash“ veröffentlicht. Wurdest du beim zweiten Album entspannter oder ist der Druck größer, bestimmten Erwartungen zu entsprechen?

Ich habe das erste Album gebraucht, um mich zu entscheiden, ob ich überhaupt mal als Künstler arbeiten will. Man ist es ja irgendwie immer, aber ob ich das eben offiziell machen oder versuchen will. Dadurch war es beim ersten Album so krass, dass die Lieder jetzt aufgenommen sind und am Ende fing ich dann an mich zu fragen: Was ist eigentlich mit anderen Sounds? Was kann man denn noch so machen und was will ich eigentlich selbst für eine Musik machen? Das erste Album hat also erst meine Neugierde und auch Faszination geweckt und dadurch hat das zweite Album total Spaß gemacht, weil ich erstmal geschaut habe, was man eigentlich alles machen kann. Ich habe da zum Glück ein Label und ein Team, das da überhaupt nicht reinredet. Alle haben mir total viel Freiheit gegeben und vor allem auch ich mir selbst, was ich mich beim ersten Album glaube ich nicht so getraut habe. Oder zumindest wusste ich noch nicht, dass das alles möglich ist oder, dass ich meine Lieder noch in jede Ecke gestalten kann, so wie ich will, wie ein kompletter Spielplatz.
Deshalb hat das zweite Album total Spaß gemacht und ich habe mich darauf gefreut, das jetzt auch zu veröffentlichen. Ich hatte da auch nie Angst, dass es nicht allen gefällt oder nicht für jeden etwas ist. Aber mir hat es eben Spaß gemacht und habe mir gedacht, irgendwie werden die Leute das schon hören. Und wenn es ihnen nicht gefällt, dann ist das eben so. Das nehme ich überhaupt nicht persönlich. Bei Kultur ist es ja eh immer so, dass man nie jeden Geschmack trifft.


Das stimmt! Gerade bei Musik wird es ja nie so sein, dass es jedem gefällt.

Ja, aber ich kenne ganz viele Künstler und weiß, dass der Gedanke oft da ist, dass man sich Stress oder Sorgen macht, wenn man mal kein direktes Feedback bekommt. Gerade, wenn man etwas neu veröffentlicht hat. Live ist das dann natürlich nochmal anders. Wie jetzt, wenn ich merke, dass manche schon die Texte mitsingen können, nachdem das Album zwei Monate draußen ist, dann wird das so reell. Aber wenn man das noch nicht hatte, sitzt man zuhause und denkt sich: Okay und jetzt?

Vom Sound her ist dein Album ja auch ziemlich unterschiedlich zum ersten. Dann hat sich das quasi mit deiner Neugierde so ergeben und war nicht von vorneherein geplant?

Genau, wir haben wirklich Song für Song so gemacht, wie wir Lust drauf hatten. Also wir hatten überhaupt kein Konzept. Aber dadurch, dass ich eben wieder mit dem selbem Team und Produzenten zusammenarbeite und ich eben auch meine Art habe, wie ich Backings einbastle oder was mein Geschmack ist, wird das ganze dann doch wieder zusammengehalten. Das fand ich aber auch total erstaunlich, weil wir nie kontrolliert haben, ob das jetzt zusammenpasst. Am Ende haben wir dann alles mal angehört und man weiß nicht genau wie, aber irgendwie passte alles zusammen. Das fand ich spannend!

Ein Song des Albums ist „Look at the earth“, mit dem du ein ziemlich ernstes Thema ansprichst, nämlich die Zerstörung der Natur und unser Verhältnis zur Erde. Wie kam es zu diesem Song? War das schon immer etwas, was dir am Herzen lag?

Ich habe schon immer viel mehr Zeit draußen verbracht als drinnen am Klavier oder beim Üben und Konzerte vorbereiten. Deswegen waren die ersten Konzerte glaub ich auch nicht so gut (lacht). Aber ich habe immer gedacht, das ist mein natürlicher Teil, da fühle ich mich wohl. Und das schöne bei der Natur ist, man kann ihr überhaupt nichts vormachen. In der Musik- oder Unterhaltungsbranche hadere ich schon manchmal ganz schön mit der Oberflächlichkeit. Da dreht sich oft alles nur noch um das Außenherum. Und die Natur gehört eben genau so zu mir, wie die Musik. Deshalb dachte ich es wäre das Beste, ich schreibe mal darüber.

Aber es ist mir schon echt schwergefallen, weil ich mich gefragt habe, wie man über die Natur schreibt, ohne irgendjemandem für etwas die Schuld zu geben. Ich finde es immer sehr oberflächlich und ich diskutiere auch mit niemandem über CO2-Werte oder Sonstiges, weil ich finde, das bringt nichts. Ich sage immer, Technologien und Umweltschutz schließen sich nicht aus. Es gibt total geniale Ideen und ganz viel Entwicklung aber dadurch, dass immer Jobs und die ganze Politik mit dranhängen, bewegt sich da so wenig. Und dabei zu sehen, dass man sich gegenseitig die Schuld zuschieben will, anstatt offensichtliche und ganz einfache Dinge zu ändern, macht mich oft sehr traurig. Und dazu kommt, dass viele Menschen oft gar kein Verständnis von Natur haben. Die sehen eine Wiese oder einen Wald und denken das ist Natur, obwohl das die totale Forst- oder Landwirtschaft ist und nichts mit Natur zu tun hat. Ich habe auch selbst einen eigenen Garten und bin länger als 10 Jahre mittlerweile im Naturschutz und Viele entdecken es jetzt für sich aber haben einfach wenig Ahnung von Naturzusammenhängen, wie der Naturkreislauf funktioniert oder was es bedeutet Gemüse anzubauen.

Das hat mich in der Zeit total genervt und dann fingen auch die Demonstrationen an, bei denen ich auch ein bisschen skeptisch oder vorsichtig war, weil da viel auf Werte und Zahlen ging und nicht darauf, was es schon für Ideen gibt und warum sie nicht verwirklicht werden. Aber ich habe natürlich auch keine Lösung dafür und bin einfach froh, dass ich das alles in meine Musik packen kann und merke auch besonders auf den Konzerten, dass das ganz viele beschäftigt. Aber es entwickelt sich gerade auch viel, was ich sehr cool finde, zum Beispiel im NaBu (Bund für Naturschutz) und bei FridaysForFuture und ich dachte mir, wenn die sich zusammentun würden und zu deren Aktivität noch mehr Hintergrundwissen kommen würde, könnte man wirklich etwas erreichen. Anstatt, dass die Einen demonstrieren und die Anderen Umweltschutz machen. Aber da schweife ich jetzt zu sehr ab (lacht).


Dann lass uns nochmal zurück zum Album kommen. Mit „Suprise“ hast du am ESC-Deutschland-Vorentscheid teilgenommen. Wie kam es dazu? Du bist ja jetzt nicht die typische ESC-Kandidatin.

Ja, genau! Das finde ich auch. Ich war auch total überrascht. Mir wurde geschrieben, dass ich dabei bin und dann habe ich erstmal mein Team gefragt, wer mich da angemeldet hat. Aber die vom ESC sind da auch immer am Schauen, wen sie einladen können. Und wenn man dann mal bei öffentlichen Events spielt, haben sie einen schon auf dem Schirm. Aber als die Nachricht kam, musste ich erstmal darüber schlafen. Das ist ja eine komplett andere Welt.

Hattest du dann „Suprise“ extra dafür geschrieben, nachdem du dich entschieden hast mitzumachen?

Das Album war zu der Zeit schon am Fertigwerden. Ein bisschen schade war, dass zwei/drei Songs, die da glaube ich ganz gut hingepasst hätten, noch nicht fertig waren aber dann haben wir eben die, die schon fertig waren mitgenommen. Dann gab es noch ein Songwriter-Camp, wo alle an ein paar Songs gearbeitet haben und ich dachte mir, ich gehe da einfach mal hin. Ich bin ja selber auch Songschreiber und schaue mal wie die das machen. Aber dann haben alle gemeint, dass man bei den Sachen, die ich selber schreibe, merkt, dass ich da voll drinstecke, auch wie ich dann singe. Und die anderen Songs waren cool gemacht, aber das Eigene hat am meisten überzeugt. Da war ich auch total überrascht. Ich schreibe zwar schon ewig Lieder, aber es war nie klar, dass das mal auf die Bühne kommt. So, wie andere Bilder malen und nicht immer planen, damit eine Ausstellung zu machen. Und du würdest das selber nie von dir sagen, wenn andere Songwriter dann finden, dass deine eigenen Songs am besten sind. Das war cool!

Und eben auch mal ins Fernsehen zu schauen. Das finde ich eigentlich echt cool. Ich hatte total den Spaß mit den Leuten hinter der Bühne und den Technikern. Und es war total der Luxus, weil jeder sein Ding macht und du nur das beisteuern konntest, was du liebst. Auf Tour macht man ja gefühlt Alles. Das ist auch schön, aber mal nur zu singen ist total der Luxus und das hat wirklich Spaß gemacht.

Was beim Fernsehen halt die Kunst ist: Die müssen sich immer ganz viel anhören, was nicht klappt und gehen deshalb immer sehr auf Sicherheit. Aber dafür mache ich nicht Radio-Pop oder Schlager. Und deshalb fällt es ihnen halt schwer, etwas zu nehmen, was gefühlt unsicher ist. Aber ich muss sagen, das ESC Publikum ist total fair. Das sind richtig musikverliebte Leute – klar, über Geschmack kann man sich immer streiten. Die haben wirklich Lust, Musik zu entdecken und mir hat es dann fast leidgetan, weil ich sie so viel oberflächlicher eingeschätzt hatte.


Genau so habe ich mir das auch vorgestellt, deshalb war ich auch so überrascht. Aber vielleicht sollte ich das dann auch nochmal überdenken.

Ja, eben! Aber klar, beim ESC landet auch viel was wahrscheinlich sehr oberflächlich ist. Aber die, die das schauen, sind eigentlich auch darauf aus, etwas Besonderes zu entdecken und sind auch enttäuscht, wenn da nichts Besonderes gewinnt. Das hat mich wirklich positiv überrascht!

Also könntest du dir auch vorstellen nochmal an so einem Format teilzunehmen?

Das ist eine echt spannende Frage! Ich habe keine Ahnung! (lacht) Das weiß ich wirklich nicht. Ich hoffe auch, dass diese Frage dieses Jahr nicht mehr kommt, weil ich gerade total Lust habe, einfach eigene Musik zu machen. Ich wüsste jetzt nicht direkt, wie ich mich dann entscheiden würde, weil ich auch echt gemerkt habe, ich hätte Lust, mal in dem Bereich zu arbeiten. Die Kamera macht mich irgendwie nicht nervös und man lernt echt spannende Leute kennen. Warum dann nicht mehr? Aber gleichzeitig weiß ich eben nicht immer, was ich von der ganzen Konstitution, die dahinter hängt, halten soll.

Was hast du denn jetzt nach deiner Tour ansonsten geplant?

Ich habe viel Lust auf Festivals. Ich habe mich die letzten Jahre oft sehr hinter dem Klavier versteckt und lerne eigentlich gerade jetzt, wo ich wirklich einen ganzen Konzertabend fülle, wie cool es ist, auch mal mit Band zu singen. Und ich hatte irgendwie auch noch keinen richtigen Plan, was ich eigentlich mache, gerade wenn es jetzt nicht immer der große Traum war und man immer wieder überrascht ist, wenn Leute einem zuhören. Und bei Festivals finde ich es eben cool, dass man einfach rumlaufen kann. Man hat viel mehr Platz und die Menschen können einfach aussuchen, wann sie kommen und gehen wollen oder zu welcher Band. Beim eigenen Konzert ist es eben so, dass sie den Eintritt bezahlt haben, um dich zu sehen. Danach sind sie entweder happy oder enttäuscht. Aber beim Festival kann man was entdecken oder eben auch nicht. Das hat einen eigenen Charme und ist wieder etwas, was ich jetzt erst so für mich entdeckt habe.

Words: Leah Beck

Photo: Lucio Vignolo Press

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