MAPLE GLIDER

Juni 2021 Interview - Nur Geduld!

Zunächst mal muss man wissen, dass ein „Maple Glider“ ein in Australien angesiedelter flugfähiger Kleinbeutler ist, den die Songwriterin Tori Zietsch so niedlich fand, dass sie ihr Solo-Projekt nach diesem Tier benannte. Genau genommen heißt das Viech eigentlich „Sugar Glider“ - aber Tori mag wohl lieber Ahorn-Sirup und entschied sich deshalb für die Namensvariante „Maple Glider“. Zusammen mit ihren Kollegen Tom Iansek – der auch als Musiker und Produzent (u.a. für die Paper Kites oder Lisa Mitchell) tätig ist – spielte sie die autobiographisch geprägten Selbstfindungs-Songs, die nun auf ihrem Debüt-Album „To Enjoy Is The Only Thing“ versammelt sind, im heimatlichen Melbourne unter Pandemie-Bedingungen ein. Die Songs selbst waren indes schon vor dem Lockdown fertig, denn die Inspirationen hierfür suchte sich Tori auf ihren Reisen und einem längeren Aufenthalt in Brighton zusammen

Wie ist denn Tori's musikalische Karriere verlaufen?

„Ich habe lange Jahre mit meinem alten Jugendfreund Dan Pinkerton als 'Seavera' Musik gemacht“, berichtet Tori, „ich war eine Teenagerin als ich Dan getroffen habe. Wir haben dann lange Zeit zusammen musiziert und dann auch angefangen, Sachen aufzunehmen – aber es stellte sich dann heraus, dass unsere Visionen von dem, was und musikalisch wichtig war und was wir wollten, sehr unterschiedlich waren.“ Das ist insofern offensichtlich, als dass die Seavera-EP „A Different Kind Of Sadness“ elektronische Elemente enthält, die Tori's eigener Musik heutzutage vollkommen abgehen.

Was hat Tori dann nach dem Seavera-Projekt gemacht?

„Es war dann auch so, dass ich reisen und andere Dinge ausprobieren wollte“, erinnert sich Tori, „ich denke heute, dass es die richtige Entscheidung war, dass wir uns trennten um in verschiedene Richtungen gehen zu können und getrennt voneinander unsere eigenen Dinge ausprobieren zu können. Ich wollte mir dann auch eine Auszeit von der Musik nehmen, weil ich eine so lange Zeit daran gearbeitet hatte, ohne mir das wirklich bewusst zu machen. Ich habe das irgendwie nämlich alles automatisch gemacht und war mir irgendwann gar nicht mehr so sicher, ob die Musik das war, worin ich meine ganze Energie stecken wollte. Ich brauchte einen gewissen Abstand, um mir darüber klar zu werden und bin dann für ein Jahr nach Brighton in England gezogen. Dort habe ich dann langsam wieder angefangen, Songs zu schreiben.“

Wie ist Tori das Album denn musikalisch angegangen? Dazu hat sie sich ja mit dem Musiker-Kollegen Tom Iansek verbündet, der auch eigene musikalische Projekte mit seinen Rockbands „Big Scary“ und „“#1 Dad“ sowie dem Duoprojekt "No Mono" mit Tom Snowdon am Start hat.

Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

„Ich habe vor einigen Jahren mal einen Wettbewerb gewonnen, dessen Preis es war, mit Tom einen Song aufnehmen zu können“, erinnert sich Tori, „das hatte mir damals sehr gut gefallen und ich mag auch seine Musik sehr gerne. Als es an die Aufnahmen ging, habe ich ihn einfach gefragt, ob er mir helfen könnte. Ich hatte ein paar Piano-Songs und habe ihm eine Playlist gemacht und wir haben darauf aufgesetzt. Zwar hatten wir gelegentlich einen Drummer im Studio – aber im Wesentlichen haben wir die Musik alleine eingespielt. Tom hat die meisten Instrumente wie Bass, Piano und Synths gespielt. Ich habe die Leadgitarre und Gesang und Keyboards gespielt. Für mich war das eine der bisher angenehmsten Erfahrungen beim Musizieren überhaupt gewesen – also einfach zusammen im Studio zu sitzen und ihn mit den Songs herumspielen zu lassen. Ich habe mich sehr wohl dabei gefühlt, ihm die Entscheidungen für die Arrangements zu überlassen, denn er hat meine Musik und was mir daran besonders wichtig ist, wirklich verstanden. Denn schließlich wurde ihm dann auch das Selbe, was mir besonders wichtig ist, wichtig. Auf diese Weise gelang es uns ein Album zu erschaffen, dass sich sehr richtig anfühlte. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Songs irgendwie anders hätten klingen könnten.“

Was ist denn das auslösende Moment für Tori, einen Song schreiben zu wollen (oder zu müssen)?

„Na ja einfach die Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt“, zögert sie, „einige davon sind dann ältere Erfahrungen, die ich versuche zu verstehen, indem ich darüber schreibe. Und dann lebe ich natürlich auch weiter und erfahre ständig Neues. Das Leben kann ja so komplex und hektisch sein, dass man nicht immer die Gelegenheit hat, sich auf den Moment zu besinnen, alles zu verstehen was passiert oder mit seinen Gefühlen klarkommen zu können. Wenn etwas passiert ist, ist es erst mal passiert. Man lebt sein Leben ja nicht indem man sich ständig selbst beobachtet und analysiert, wie man sich als Person weiterentwickelt oder verändert. Songs zu schreiben ist für mich also eine gute Methode, mit dieser Tatsache klarzukommen.“

Und wie funktioniert das am Besten?

„Ich muss erst mal alle Gefühle rauslassen – und dann kann ich mir ja überlegen, an welchen Stellschrauben ich drehen müsste, um Veränderungen in meinem Leben vorzunehmen“, meint Tori und fügt dann noch hinzu: „oder aber ich blicke in einem weiteren Schritt auf Situationen zurück, in denen ich etwas geändert habe um zu analysieren, welche emotionale Reaktion ich auf Veränderungen hatte.“

Das mal eingedenk: Was ist denn dann die Herausforderung als Songwriterin für Tori?

„Ich denke, das ist, überhaupt in den richtigen Gemütszustand zu kommen“, überlegt Tori, „dabei nicht zu wertend zu sein, keine Erwartungen zu haben und sich frei auf den Fluss der Musik einzulassen. Ich denke es hilft sehr, sich möglichst oft in diesen Zustand zu versetzen und möglichst bei der Arbeit zu bleiben und sich nicht frustrieren zu lassen, wenn mal etwas nicht gleich klappt und man nicht gleich einen Song zustande bringt.“

Das heißt also: Tori vertraut weniger auf den Kuss der Muse, als darauf, an den Songs zu arbeiten, bis etwas Brauchbares dabei herauskommt?

„Ja, man muss dann eben am Ball bleiben und daran arbeiten“; bestätigt sie, „es braucht dann auch manchmal sehr viel Zeit, an den Punkt zu kommen, wo man die richtig guten Sachen findet, für die man sich selbst begeistern kann. Ich denke, dass Geduld in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist. Man muss geduldig mit sich selbst sein und zu sich selbst finden. Und das kann ewig dauern.“

Ist es dann schwierig, überhaupt zu einem Ende zu finden?

„Nein – ich gehe da nach meinem Bauchgefühl“, verrät Tori, „wenn es sich richtig anfühlt, dann habe ich es geschafft. Es kann aber vorkommen, dass ich später noch Kleinigkeiten an einem fertigen Song ändere. Man darf es also nicht übertreiben, mit den fertigen Songs, denn manchmal kann es ja auch noch Potential für Verbesserungen geben.“

Alles in allem ist Tori mit „To Enjoy Is The Only Thing“ in mehrerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Singer-Songwriter-Album gelungen. Denn unter dem Strich ist es Tori nicht nur gelungen, über ihre Musik zu sich selbst zu finden, sondern mittels ihrer bemerkenswert offenherzigen, persönlichen Texte so viel von sich preiszugeben, dass man sie als Zuhörer über ihre Songs auch ein wenig kennenlernen kann.

Words: Ullrich Maurer
Photo: Bridgette Winten

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