SARAH KLANG

Mai 2021 Interview - Zuviel für sich selbst.

„Das wird bestimmt lustig!“, meinte der Promoter, nachdem er es geschafft hatte, einen Gesprächstermin mit der schwedischen Songwriterin Sarah Klang über ihr neues Album „Virgo“ zu arrangieren. Hm. „Lustig“ ist ja nicht unbedingt das Attribut, das sich im Zusammenhang mit den melancholischen Folkpop-Songs Sarahs aufdrängte. Andererseits gibt es da die Videos zu den neuen Songs „Canyon“ und „Fever Dream“ in denen Sarah gut gelaunt durch die Szenerie hüpft bzw. ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellt. Könnte es vielleicht sein, dass das selbsternannte „traurigste Mädchen Schwedens“ ihre ganzen negativen Energien in ihrer Musik verbraucht und im richtigen Leben dann eine fröhliche, ausgeglichene Person ist?

Oder hat sich da grundlegend etwas geändert, zwischen ihrem letzten Album „Creamy Blue“ und dem neuen Album?

„Gute Frage“, zögert Sarah, „nein ich denke nicht, dass sich etwas geändert hat. Ich würde mich selbst auch nicht als 'lustig' bezeichnen. Ich finde aber, dass meine Musik so melancholisch und traurig ist, dass es etwas zu viel wäre, wenn ich dann auch einen solchen melancholischen Charakter spielen würde. Als ich mein erstes Album veröffentlichte, spielte ich mit der Idee, diese super-ernsthafte Persona für mich zu erschaffen, die zudem künstlerischer sein sollte, als ich wirklich bin. Das habe ich aber vielleicht für eine Woche durchgehalten. In den sozialen Medien ist es ja super einfach sich ein künstlerisches Image zu geben, und sich tapferer zu geben, als man ist. Aber dann sollte man aufpassen, wenn man etwas postet, wenn man nicht mehr nüchtern ist. Ich hatte damit jedenfalls so meine Probleme.“

OK – das heißt also, dass Sarah den Humor, den sie in ihren Videos demonstriert dann nutzt, um die Sache mit der Ernsthaftigkeit ihrer Musik auszubalancieren?

„Genau“, bestätigt Sarah, „ich denke es ist wichtig, die richtige Balance zu finden. Denn ich muss ja herumreisen und diese Musik spielen und ich muss mit dieser Musik leben. Es wäre dann zu viel, wenn alles nur ernsthaft und traurig wäre.“ Richtig – man muss sich als Künstler ja irgendwie motivieren, die eigene Musik immer und immer wieder mit Leben zu erfüllen. „Stimmt“, pflichtet Sarah bei, „und ich denke auch, dass meine Zuhörer klug genug sind, zu verstehen, dass eine Person verschiedene Facetten haben kann.“

Das ist ein gutes Stichwort: Nachdem das mit der frühen Bühnenpersona ja nicht so recht geklappt hat:

Gibt es denn heutzutage noch einen Unterschied zu der Sarah Klang auf der Bühne und jener im „richtigen Leben“?

„Also sagen wir mal so“, seufzt Sarah, „ich habe mir jetzt keine Persona erfunden, aber ich denke, dass jeder Künstler eine gewisse Bühnenpräsenz haben sollte. Ich meine ich gehe nicht auf die Bühne als ginge ich zur Schichtarbeit. Ich nehme mir Zeit für mein Makeup und meine Haare – das ist mir schon wichtig. Ich denke auch, dass es in Richtung einer Persona geht, wenn man zum Beispiel ein paar Drinks zu sich genommen hat, oder wenn man sich von der guten Stimmung im Publikum beflügelt sieht. Man geht dann mit der Energie ab und fühlt sich toll und gut gelaunt. Das ergibt dann eine Persona. Ich würde aber nicht sagen, dass ich dieselbe Person bin, wenn ich auf der Bühne stehe wie jene, die dann mit meinem Freund zusammen zu Hause ist. Das würde ihn auch verärgern, denke ich.“

Das neue Album benannte Sarah nach dem Sternzeichen „Virgo“ - also „Jungfrau“ in unserem Sprachgebrauch – sagt aber, dass sie mit der Astrologie eigentlich gar nicht so viel anfangen könne.

Gibt es dann denn eine spirituelle Note in Sarahs Musik?

„Das ist bei mir ähnlich wie mit der Astrologie“, überlegt Sarah, „manchmal bin ich super spirituell aufgelegt und gehe ganz in meinen diesbezüglichen Gefühlen auf. Wenn das aber nicht so ist, bin ich ziemlich locker auf. Manchmal bin ich aber eben auch ganz kaputt und überwältigt von meinen Gefühlswelten. Ich bin mir nicht sicher, was meine Spiritualität betrifft. Ich beschäftige mich jedenfalls nicht jeden Tag damit.“

Das neue Album geht musikalisch ja eher in Richtung New Wave-Sounds. Was hat es aber mit den Country-Referenzen – zum Einen in den Videos und zum anderen durch gewisse Twang-Gitarrensounds – auf sich? Obwohl sie zuweilen als solche bezeichnet wird, ist Sarah doch eigentlich keine Country-Künstlerin.

Ist das mit den Country-Referenzen vielleicht als Witz gedacht?

„Sagen wir mal so: Es ist kein Test“, lacht Sarah, „ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich meine Hörer testen will. Ich bin speziell mit dem ersten Album oft als Country-Sängerin bezeichnet worden. Damals war ich mir allerdings gar nicht sicher, was das bedeutete. Ich bin einfach eine Old-School-Songwriterin. Das neue Album ist definitiv keine Country-Scheibe. Ich weiß gar nicht, warum ich immer noch gelegentlich als schwedische Country-Sängerin bezeichnet werde. Es ist manchmal seltsam, dass die Leute dann daraufhin glauben, dass ich wirklich Country Musik mache. Ich höre gar keine Country Musik und kenne mich damit nicht aus – und vermutlich kannst Du das sogar besser erklären als ich.“

Wenn man als Songwriter nur über sich und seine Beziehungen singt, dann muss man ja etwas haben, wovon man berichten könnte. Ist das denn kein Problem – denn man kann ja nicht Beziehungen sammeln, nur um darüber schreiben zu können. „Kann man nicht?“ fragt Sarah, „ich glaube, es ist meine Lebensaufgabe herauszufinden, wie viele Beziehungen man haben kann. Nein – mal ernsthaft: Ich kann Dein Argument absolut nachvollziehen. Vielleicht erfinde ich ja eines Tages auch mal was – aber momentan reicht meine Vorstellungskraft für so etwas noch nicht. Wenn ich einen Song schreibe, dann will ich auch, dass er mir etwas bedeutet. Das ist der Grund, warum ich über meine eigenen Erfahrungen schreibe.“ Na ja, es kommt dann ja auch auf die Perspektive an und auf welche Art von Erfahrungen man als Songwriter selbst Wert legt. „Ja – ich zum Beispiel habe ja noch nie davon geschrieben, wie es ist, länger in einer Beziehung zu sein“, überlegt Sarah, „vielleicht könnte ich ja mal davon schreiben. Oder vielleicht kann es ja auch darum gehen, Kinder zu bekommen? Es gibt ja viele Dinge in meinem Leben, die ich noch nicht erlebt habe. Hoffentlich findest Du dann auch mein viertes Album noch interessant.“

OK – fragen wir mal so herum: Wonach sucht Sarah dann als Songwriterin? Geht es ihr überhaupt um eine gute Geschichte?

„Es muss gar keine Geschichte sein“, berichtet sie, „ich mag es manchmal einfach auch nur, wenn sich bestimmte Worte wiederholen. Ich mag vor allen Dingen richtig schöne Klänge. Genau beschreiben kann ich das auch nicht – es sollte nur nicht zu trocken sein, sondern irgendwie atmosphärisch. Das sind aber ja eigentlich Sachen, die man später hinzufügt. Im Grunde weiß ich also eigentlich gar nicht so genau, wonach ich suche. Es gibt bestimmte Melodien, die ich nicht verwenden würde. Ich mag auch keine richtig jazzigen Sachen. Ich mag keinen Blues. Was ich aber mag, sind leichtfüßige Pop-Elemente.“

Gibt es da eine bestimmte Prozedur das Songwriting betreffend?

„Ja, gewiss“, bestätigt Sarah, „ich schreibe zum Beispiel fortwährend Texte. Dann treffe ich mich mit Kevin Anderson und Theo Stocks und wir machen dann die Musik zusammen. Die Texte müssen aber vorher fertig sein.“

Ist das vielleicht der Grund, warum Sarah überhaupt eine Musikerin geworden ist – um ihre Erfahrungen durch ihre Texte musikalisch verarbeiten zu können?

„Nein“, lacht sie, „ich wollte einfach schon als Kind berühmt werden und lustige Sachen in meinem Leben erleben – etwa zu reisen und Kunst zu machen. Ich denke, ich hatte einfach Glück, dass ich das Talent als Sängerin mitbekommen hatte.“

Was ist Sarah denn am wichtigsten am „Virgo“-Projekt?

„Ich weiß gar nicht, wie ich das beantworten soll“, zögert sie, „mein drittes Album ist für mich persönlich eine große Leistung. Die zweite Scheibe war deswegen schwierig, weil alle um mich herum sagten, dass das die schwierigste Scheibe für mich sein werde, weil sie so wichtig sei: Ich hatte das gar nicht so empfunden, aber nachdem mich immer alle fragten, ob ich nervös sei, hat mich das dann tatsächlich unsicher gemacht. 'Virgo' war für mich im Vergleich auf eine Art eine Erleichterung.“

Was ist dann die größte Herausforderung für die Songwriterin Sarah Klang?

„Also bislang bin ich noch gar keinen großen Herausforderungen begegnet“, räumt Sarah ein, „vielleicht kommt das bei dem vierten Album auf mich zu – etwa als Angst, dass mir nichts mehr einfallen könnte – aber bislang ist mir das noch nicht passiert.“

Dann braucht es ja eigentlich keine Motivation für Sarah, oder?

„Doch schon“, meint sie, „ich muss ja darauf achten, dass es nicht zu langweilig wird und ich darf mich nie zu sicher fühlen. Ich muss schon etwas riskieren. Ich darf auch nicht versuchen, zu beachten, was die Leute über meine Musik schreiben oder sagen könnten. Ich muss die Musik so machen, wie ich sie für richtig halte und die ich auch mag. Ich muss mir treu bleiben – komme was da wolle.“

Hat Sarah bereits über ihre musikalische Zukunft nachgedacht?

„Ja“, meint sie, „mein Plan ist aber eh jeweils gewesen, weiter Musik zu machen, aber nur 'ja' zu Projekten zu sagen, die mir dann auch am Herzen liegen. Das ist natürlich schwierig, weil Du Dir einen bestimmten Standard setzen musst, den Du dann einhalten und verteidigen musst. Ich hoffe aber, dass ich das kann. Kurz vor der Pandemie konnte ich noch ein paar Konzerte mit dem neuen Material spielen – was ich natürlich sehr genossen habe und jetzt vermisse. Mein Ziel ist also das bald wieder machen zu können und hoffentlich auch irgendwann mal in Amerika touren zu können.“

Was ist denn für Sarah das Beste an ihrem Job?

„Das Lohnendste und Schönste für mich ist überhaupt tatsächlich viel singen zu können – und damit sogar meinen Unterhalt verdienen zu können“, erklärt sie, „ich habe mal in einem Restaurant gearbeitet und bin froh, das nicht mehr machen zu müssen, weil ich das wirklich gehasst habe. Ich liebe es auch, Menschen zu treffen, die meine Musik gut und interessant finden und mit einigen meiner Freunde arbeiten zu können, die mit dem Artwork und den Videos helfen können und so eine ganze Umgebung für meine Musik zu schaffen. Der Nachteil an der ganzen Sache ist vielleicht, dass man zu viel über sich nachdenkt, wenn Du weißt, was ich meine. Wenn ich morgens aufwache und dann gleich über 'mein Projekt' nachdenke. Das ist ganz schön egozentrisch und manchmal werde ich mir dann selbst ein wenig zu viel.“

Words: Ullrich Maurer
Photo: Fredrika Eriksson

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