THALA

Oktober 2021 Interview

Die in Berlin ansässige Songwriterin Thala ist schon eine Art modernes Phänomen. Denn obwohl sie mit ihrem Debüt-Album „Adolescence“ ein Album erschuf, dass sich anhört wie ein austarierter Instant-Klassiker in Sachen Indie-, Dream-, Psychedelia-, New Wave- und Shoegaze-Sounds, gab es keinen Masterplan, der dahinter steckte. Auch begann Thala ihre musikalische Laufbahn keineswegs damit, unzählige Bedsitter-Coverversionen auf ihrem YouTube-Kanal zu veröffentlichen, um sich so eine Fangemeinde aufzubauen – sondern eher als Straßenmusikerin und bei Open-Mic-Auftritten. Und obwohl soziale Medien durchaus eine Rolle in ihrem Werdegang spielen, waren es vor allen Dingen glückliche Fügungen – und natürlich ihre Musik - die dazu führten, dass Thala heutzutage am Anfang einer zweifelsohne großen Karriere steht.

Die Sache kam für Thala ins Rollen, als sie den Song „Make It Out“ des kanadischen Künstlers Jaguar Sun (Chris Minielly) coverte – und diese Version in die Hände von dessen US-Label Born Losers in Philadelphia geriet, das ihr dann daraufhin sogleich einen Plattenvertrag für die USA offerierte. Damit aber nicht genug: In Deutschland ist Thala nämlich nun auf dem Label Duchess Box Records des rührigen Briten Grant Box zu Hause, der seit Jahren von Berlin aus die Indie-Pop-Szene aufmischt. Und auch in diesem Fall musst Thala gar nicht selbst tätig werden.

„Nein – Grant ist an mich gekommen“, erklärt Thala bei einem Gespräch auf dem Reeperbahn-Festival 2021, wo sie gleich drei Gigs absolvierte, „der hat über Social Media von mir erfahren indem ihm jemand, den ich kannte meine bis dahin selbst veröffentlichten Sachen gezeigt hat und dann habe ich eine riesige Nachricht über facebook mit ihm erhalten, in dem er mir mitteilte, dass er gerne mit mir arbeiten wollte. Ich habe mich dann mit ihm getroffen und ihm meine Demos gezeigt – die zu dem Zeitpunkt noch nicht so weit waren – und ist die Sache ans Laufen gekommen.“

Bevor es bei uns so richtig los ging, hatte Thala ja bereits Airplay bei der BBC. Wie ist es denn dazu gekommen?

„Grant Box ist ja aus England und hat gute Connections da hin und da hat er einfach diesen Kumpel von der PR-Agentur, die dort sitzt beauftragt und dann haben die einen Song von mir gehört und wollten den spielen. Und nicht irgendwer, sondern BBC One.“

Der Sound von Thalas Scheibe klingt wie aus einem Guss – ganz so, als mache sie das schon seit Jahren.

„Nun das hat sich auch so ergeben“, erklärt Thala, „ich wollte von vorneherein die Musik machen, die ich selber gerne höre. Ich höre viel Shoegaze und den erneuerten Surf-Pop und Surf Rock wie The Fossils und solche Sachen. Ich wollte also so etwas machen und dann sind wir auch ziemlich krass in diese Richtung gegangen – dann habe ich aber gemerkt dass man dann die Vocals gar nicht mehr so richtig hören konnte. Es war dann also eine Findungssache. Mein Live-Bassist Michael Kümper ist auch mein Produzent und ich bin Co-Produzentin. Wir haben das dann schon zusammen erabreitet.“

Und auch das war dann vermutlich vorher nicht geplant, oder?

„Nichts davon war geplant“, meint Thala, „ich hätte mir doch niemals vorgestellt, dass mal jemand auf mich zukommt und sagt, das will ich bezahlen. Ich habe jetzt vor zwei Wochen das erste Mal vor 1500 Leuten gespielt. Das hat mich völlig umgehauen, weil das nie gedacht habe. Das Projekt gibt’s ja auch noch nicht so lange – vielleicht anderthalb Jahre. Vorher habe ich nur Straßenmusik gemacht an der Warschauer Straße.“

Wie Alice Phoebe Lou?

„Ich kenne Alice“, meint Thala, „ich habe sie damals getroffen, wie sie angefangen hat Straßenmusik zu machen. Ich finde Alice großartig – sie verdient jeden Erfolg der Welt.“ Die Sache mit den Genres und Stilen ist ja zum Glück heutzutage nicht mehr ganz so relevant, weil ja viele Zeitgenossen Thala's sowieso machen, was sie wollen – und nicht mehr, was ein bestimmtes Genre und Format vorgibt. „Ja – aber ich habe natürlich meine eigenen Referenzen, was das Songwriting betrifft“, ergänzt Thala, „ich liebe zum Beispiel Phoebe Bridgers. Ich glaube, es gibt für mich keine authentischere Songwriterin.

Kommen wir noch mal zum Thala-Sound. Der besteht ja aus Elementen, wie sie in den 90er Jahren so richtig etabliert wurden – bei Bands wie The Cure oder The Sundays.

„Ich liebe die Sundays“, meint Thala, „das finde ich sehr schön, dass Du das so raushörst. Auf der Gitarre habe ich meistens aber nur Chorus und Delay. Wenn nämlich zu viel Fiselskramauf der Bühne ist, dann explodiert uns alles. Das ist ja das lustige, dass alles Sinn macht, obwohl es nie geplant war, dass es Sinn macht.“

Um Stile und Genren macht sich Thala also keine Gedanken?

„Lustig dass Du eben die Sundays erwähntest, denn ich liebe diesen ganzen End-90er/2000er Brei“, meint Thala, „und alles was ich bis jetzt geschrieben habe, ist daran angelehnt. Ich habe aber jetzt wieder angefangen, ältere Musik zu hören. Jeder ist ja inspiriert von dem, was er um sich herum hört und jeder, der sagt, das sei nicht so lügt. Selbst Phoebe Bridgers, die ja etwas Neues kreiert hat, greift auf Elemente zurück, die es schon gegeben hat. Man sucht sich halt zusammen, was man gut findet und macht daraus sein Eigenes. Das ist in der Mode so, das ist in der Kunst so, das ist bei Filmen und Serien so und das ist auch schön. Mich stört das jedenfalls nicht. Das ist wie eine riesige Gemeinschaft aus Kreativität.

Wonach sucht Thala denn, wenn sie einen Song schreibt?

„Zwei Dinge“, führt Thala aus, „mir ist es wichtig, dass man ab dem ersten Wort drin ist – das ist der Catcher. Oder bist Du ab dem ersten Gitarrenriff drin – das muss dann aber in der Mitte und am Ende noch mal wiederkehren, damit die Leute nicht enttäuscht sind. Und dann finde ich es wichtig, dass jeder Song eine kleine Welt eröffnet – so dass Du gar nicht merkst, wenn der Song zu Ende ist und fast einen meditativen Zustand hast. Andererseits finde ich aber auch das Songwriting und Storytelling wichtig. Wenn sich jemand mit dem, was Du schreibst identifizieren kann oder einen Satz, den Du geschrieben hast nicht mehr vergessen kannst, dann – finde ich – hast Du etwas erreicht. Nimm zum Beispiel mal 'Emotional Motion Sickness' von Phoebe Bridgers. Damit hat sie so etwas geschafft. Dabei muss man gar nicht wissen, worum es in dem Song geht. Die Leute freuen sich dann auf diesen einen Part – und darum geht es. Und wenn es nicht der Text ist, dann freuen sich die Leute auf die Gitarre. Die Red Hot Chili Peppers haben epische Gitarrenriffs, die jeder kennt. Die Haben Gitarrenriffs, die ich mitsingen kann – mehr noch als die Texte. Ein guter Song muss einfach eines dieser Dinge haben.“

Wie findet man unter diesen Umständen dann aber zu einer eigenen Identität als Songwriterin?

„Keine Ahnung“, zögert Thala, „ich habe einfach das gemacht, was sich für mich und uns gut angefühlt hat. Wie gesagt: Ich habe das ja nicht gemacht, weil ich eine krasse Platte machen wollte, die dann direkt allen Leuten gefallen sollte. Ich habe einfach gedacht, dass ich Bock habe, das was ich im Kopf habe, aufzuschreiben und Musik zu machen.“

Worauf fokussieren sich Thala und ihre Band denn beim Live-Spielen?

„Wir haben zwar erst 5-6 Mal zusammen gespielt – aber wir haben jetzt ein neues Ritual. Vor der Show spielen wir Phil Collins 'Easy Lover' um uns einzustimmen, tanzen kurz dazu und versuchen, die Welt zu vergessen.“

Und warum redet sie bei ihren Konzerten konsequent auf Englisch?

„Ich bin ehrlich“, gesteht Thala, „ich bin ja Deutsch aber ich bin Kanadisch aufgewachsen. Meine Stiefmutter kommt aus Kanada und die kam zu uns da war ich 6-7 Jahre alt. Da bin ich halt in eine, englischsprachigen Haushalt aufgewachsen. Deswegen wollte ich von vorneherein auf den amerikanischen und englischen Markt abzielen – weil ich weiß, was drüben gehört und gemacht wird und ich weiß, dass das gut funktionieren würde. Ich habe von Leuten aus LA gehört, dass es da mega funktionieren würde. Wäre ich ein Küstenkind in Kalifornien, dann würde das vermutlich dort sogar noch besser laufen als hier. Oder aber der Markt ist so groß und es gibt so viele von mir, dass man untergeht wie ein kleines Schiff. Das weiß man aber nie.“

Words: Ullrich Maurer

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