LAURA OSBURN

Januar 2022 Interview - Ich möchte schräger werden

Bereits vor einiger Zeit erschienen hierzulande die Single-Titel „Still Brightness“ und „Is Love A Broken Thing“ der in Berlin lebenden kanadischen Songwriterin Laura Osburn, mit denen Laura in einem klassischen, organischen Piano-Pop-Setting offensichtlich über zerbrochene Beziehungen, verpasste Chancen aber auch über mögliche Silberstreifen am Horizont resümierte. Klassisches Futter also für Freunde melancholisch ausgerichteter Songwriterkunst – und auf jeden Fall wert, einmal zu eruieren, wer Laura Osburn eigentlich ist. Leicht war das indes nicht, denn obwohl sich nach langem Suchen eine erste erste EP namens „Define Me“ mit drei weiteren Titeln im romantischen Selbstbespiegelungs-Setting von 2012 finden ließ, gab es ansonsten nicht viel, was sich über Laura herausfinden ließe. Nicht einmal eine Website gab es damals und die facebook-Page Laura's schien so gar nichts mit Musik zu tun zu haben. Der Versuch einer Kontaktaufnahme brachte hervor, dass Laura daran arbeite, eine LP namens „Don't Interrupt Me While I'm Feeling“ aufzunehmen, dass das aber sicher noch länger dauern werde.

Die Zeit verging und statt der weiland für Anfang 2021 angekündigten LP erschien dann im September 2021 eine weitere Single namens „Lonely Whispers“ - wieder eine romantische Ballade, die dieses Mal noch mit Rock- und Gospel-Elementen angereichert daherkam. Eine LP war zwar immer noch nicht in Sicht, aber Laura meldete sich dann und regte an, sich doch mal über ihre Musik unterhalten zu wollen, da es ihr wichtig sei, zu vermitteln, wie sie als Songwriterin arbeite. Nun ja: Fragen gab es ja sicherlich auch genug – und so kam es dann Ende des Jahres zu einem Treffen in Berlin – als Laura gerade eine von einem US-Kollegen eingefangene Corona-Infektion durchstanden hatte, die aber aufgrund einer Impfung zum Glück einen vergleichsweise milden Verlauf genommen hatte.

Vielleicht fangen wir einmal mit der Chronologie der Ereignisse an. Was ist denn zwischen 2012 und heute passiert?

„Nun 2021 veröffentlichte ich ja meine EP 'Define Me' – war mir damals aber noch nicht sicher, ob ich als Musikerin weiter machen wollte und entschied mich, zunächst mal in meinem Beruf als Friseurin zu arbeiten. Das erklärt auch, warum ich lange nichts zum Thema Musik geposted habe und warum ich 2019 eine neue Musik-Seite auf facebook eingerichtet habe, als ich wieder anfing, Songs zu veröffentlichen. Als ich 28 wurde, erhielt ich die Möglichkeit, eine Tour in Deutschland zu machen, und mein Leben wurde auf den Kopf gestellt. 2020 bin ich dann nach Berlin gezogen und habe begonnen, an neuer Musik zu arbeiten. Gerade haben wir den vierten Song für das Album aufgenommen.“

Kommen wir aber mal zur aktuellen Musik. Das angestrebte Album soll ja „Don't Interrupt Me While I'm Feeling“ heißen. Das weist ja darauf hin, dass Laura mit ihrer Musik die ganze Bandbreite ihrer Gefühle verwaltet. Sie selbst sagt ja auch, dass es gut für sie sei, zu musizieren.

Ist es gewissermaßen ein Privileg, auf diese Weise sein Leben kreativ verarbeiten zu können?


„Das glaube ich nicht“, meint Laura, „und weißt Du warum? Weil Du Dir nicht aussuchen kannst, worin Du gut sein wirst, wenn Du geboren wirst. In Kanada oder in den USA ist die Arbeits-Kultur anders als hier. Ich glaube, dass Deutsche oder Österreich sich irgendwie bewusst entscheiden müssen, ob sie sich neben ihrem Beruf in Therapie begeben sollen, sich mit ihrer Kindheit oder Beziehungen auseinandersetzen wollen. Ich habe aber das Gefühl, dass meine Aufgabe als Künstlerin darin besteht, meine Musik dazu zu verwenden, den Menschen dabei behilflich zu sein, ihre Gefühle zu verarbeiten. Ich denke, dass gerade junge Menschen heutzutage nach einer Möglichkeit suchen, alles zu verarbeiten, was auf sie einstürmt. Ich muss auch sagen, dass mein Job gar nicht so einfach ist. Ich muss mich allerlei Prüfungen aussetzen, es steckt viel emotionale Arbeit darin, es ist schwierig und nicht gerade 'freundlich'. Es ist nichts, was ich mit Begeisterung mache, sondern es ist einfach notwendig. Es ist notwendig für meine persönliche Entwicklung und es ist ein Weg, zu dem ich mich berufen fühle. Nachdem ich mit diesem Album fertig bin, wird es aber sicherlich auch fröhlichere Songs geben.“

Das wäre auch eine Frage gewesen: Was macht Laura eigentlich musikalisch, wenn sie mal fröhlich ist?

„Nun ja, manchmal ist das alles schon ganz schön überwältigend und manchmal möchte man einfach nicht mehr über Kummer und Schmerz nachdenken“, räumt sie ein, „manchmal weiß man auch gar nicht mehr, was man gerade macht und warum.“

Das heißt also, dass Laura ihre Motive überprüft?

„Immer und jederzeit“, gesteht sie, „Songwriter, die sich immer sicher sind, sind schon etwas suspekt. Ich möchte hören, was ich sagen muss. Ich bin auch eine sehr sanftmütige Person und meine Musik hilft mir, meine Wut auszulassen. Sie ist dann ein Platz für meine Wut. Das hilft mir dann, die Dunkelheit zu durchdringen. Dann gibt es noch einen Aspekt: Ich möchte mit meiner Musik auf eine filmische Weise arbeiten. Ich schreibe zwar nicht für Filme, aber wenn ich mir vorstelle, was ich möchte, dann ist es, dass die Menschen sich mit einem guten Glas Wein in der Hand sich über eine Visualisierung auf meine Geschichten einlassen. Das wäre überhaupt das Größte: Wenn ich mit einem Filmemacher zusammenarbeiten könnte und auf diese Weise etwas wirklich Schönes erschaffen könnte.“

Das erklärt dann wohl auch, wieso Laura's Videos wie kleine Filme angelegt sind, in denen dann auch Schauspieler als Interpreten ihrer Geschichten mitwirken?

„Ja, denn ich will Kunst machen – und nicht meine Musik verkaufen“, führt Laura aus.

Okay – und wie macht man das am besten?

„Das ist der Grund, warum ich mit Dir sprechen wollte, denn der Prozess, mit dem ich arbeite, ist sehr interessant“, erläutert Laura, „ist bin nämlich auch eine Malerin. Wenn ich mit einem Song anfange, dann mittels Farben. Ich sehe Musik in Farben. Es gibt dafür diesen neurologischen Begriff ...“

Synästhesie?

„Ja, genau“, bestätigt Laura, „um also herausfinden zu können, was gerade passiert, muss ich zuerst etwas malen, wenn ich vorhabe, Musik zu machen. Wenn ich nicht zuerst male, finde ich niemals eine Melodie. Am Anfang muss also unbedingt zunächst ein Bild stehen. Ich weiß nicht, warum das so ist – aber es ist nun mal so.“

Was malt Laura denn so?

„Alles was ich möchte“, verrät sie, „ich male stets in Öl und ich verwende immer nur einen Pinsel. Dann suche ich mir drei Farben aus und schaue dann, was passiert. Ich habe mich zum Beispiel durch 'Planet Earth' inspirieren lassen und ein Bild vom Ozean gemalt. Oder ich habe ein Selbstporträt als Fuchswolf gemalt oder ich male ein Bild über Gefühle. Alles bewegt sich dann irgendwann in eine bestimmte Richtung. Es ist auch ein körperliches Gefühl. Ich habe einen Startpunkt und es beruhigt mich. Ich habe nämlich ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und brauche irgendwas als Anker, weil ansonsten schnell alles einfach zu viel für mich wird.“

Eine Standardfrage ist ja stets, was die größte Herausforderung für eine Songwriterin ist. In Laura's Fall ist es dann vermutlich, einen Anfang zu finden, oder?

„Genau“, bestätigt Laura, „es ist ein intuitiver Prozess. Ich sehe mich nämlich nicht als Songwriterin, sondern als Künstlerin. Musik und Wörter sind einfach nur Medien. Ich will nicht einfach nur Musik machen, sondern möchte die Textur von Klang und Wörtern und Literatur einfangen und auf diese Weise Emotionen freisetzen. Es fühlt sich für mich also nicht richtig an zu sagen, dass ich eine Singer-Songwriterin bin, weil ich eigentlich etwas anderes machen möchte. Das Ergebnis mag gar nichts anderes sein (als ein Song) – aber für mich fühlt es sich anders an.“

Was kontrolliert Laura denn unter diesem Aspekt überhaupt noch?

„Für mich gibt es immer ein Element des Friedens, wenn ich kreativ tätig bin“, zögert Laura, „ich kontrolliere dann, worüber ich in einem Song sprechen möchte. Ich habe zum Beispiel gerade einen Song namens 'Madness Supression' geschrieben. Es geht darin um Unterdrückung – handelt aber davon, dass meine Mutter vor drei Jahren in die Psychiatrie musste, und ich nicht mit dieser Situation umgehen konnte. Ich kontrolliere also das Thema – aber nicht, wie sich das dann in Farben und Klängen manifestiert.“

Womit wir dann an dem Punkt angekommen wären, festzustellen, dass Musik ein Eigenleben hat, richtig?

„Ja – und manchmal gefällt mir gar nicht, was dabei herauskommt“, meint Laura, „es geht aber ja darum, Dinge zu erforschen und herauszufinden, wie es sich anfühlt, wenn man etwas dadurch heilt, indem man darüber spricht. Es ist auch eine Art Abenteuer. Es geht weniger um die Musik als um die Emotionen.“

Gibt es denn vielleicht auch ein spirituelles Element in der Musik von Laura Osburn?

„Sehr sogar“, eröffnet sie freimütig, „ich bin als evangelikanische Christin aufgewachsen. Das habe ich aber dekonstruiert und hinter mir gelassen. Stattdessen habe ich mich dann mit New Age beschäftigt. Teil meiner spirituellen Reise ist aber eine Art Pilgerfahrt zu einem geistigen Prozess. In der christlichen Welt reden die Menschen nicht oft über die biblischen Klagelieder des alten Testamentes – die Lamentationen. Das ist eine verpasste Chance. Es geht faktisch darum, dass die Menschen Gott ihre Sorgen und Nöte klagen. Es ist tiefgehend und düster und kaum jemand mag das lesen. Mich berührt das aber im Herzen, weil man dadurch die Erlaubnis bekommt, auch mal die hässlichen und chaotischen Aspekte dessen, was man durchlebt, zu offenbaren. Mein Song 'Lonely Whispers' ist eine Art Lamento. Es geht darum, auf etwas zu hoffen, was man noch nicht sehen oder fühlen kann und vielleicht auch niemals erfahren wird. Zu klagen ist wie zu atmen. Es ist für mich ein wichtiger Prozess der menschlichen Erfahrung und nicht viele Menschen wissen darum.“ Ist das dann so eine Art Ersatz-Sakrament?

„Ich denke, es geht darum, niederzuschreiben, was man möchte und haben könnte – aber nicht haben kann, während man sieht, dass es andere haben. Das kann sehr kathartisch sein. Auf gewisse Weise würde ich sagen, dass es ein Gebet ist – wenn das Sinn macht. Es wird in der institutionalisierten Religion nicht sehr ermutigt – aber ich finde, es ist sehr wichtig. Es reicht ja, das einmal im Jahr zu machen um zu sehen, was Früchte getragen hat – oder eben nicht.“

Und das findet dann auch Eingang in Laura's Musik?

„Musik ist das Medium“, erklärt sie, „ich möchte etwas machen, was bewegt. Und ich kann Dir sagen, dass erwachsene Männer oft bei meinen Shows in Tränen ausbrechen. Das ist ein großes Thema für mich. Das ist manchmal schon frustrierend, da ich die Menschen ja nicht unbehaglich machen möchte. Ich denke also, ich muss das akzeptieren. Denn man kann sich ja nicht aussuchen, wer sich für Deine Kunst interessiert. Immer nur unter Gleichgesinnten zu sein, kann aber zuweilen recht anstrengend sein – und dann gehe ich zu meinen Techno-Shows uns tanze mir den Teufel aus dem Leib.“

Gutes Stichwort: Hat sich Laura denn schon einmal Gedanken um eine andere Art der musikalischen Umsetzung gemacht?

„In der Tat ja“, bestätigt sie, „wenn ich mit diesem Album fertig bin, dann freue ich mich schon auf das nächste, denn nachdem ich dieses Universum der Traurigkeit erforscht habe, dann möchte ich etwas vollkommen anderes machen. Ich habe zum Beispiel auch schon mal auf einem Rap-Album gesungen und ich habe Freunde, die DJs sind und ich möchte mal etwas mit mehr Energie machen – zu Beispiel Techno. Ich möchte gerne etwas schräger werden. Ich denke, ADHS zu haben, hilft in dieser Hinsicht wirklich, da man sich auf diese Weise leicht langweilt. Momentan mache ich halt Balladen, weil ich eine klassische Ausbildung habe. Man muss sich aber herausfordern, herauszufinden, was es sonst noch alles gibt. Und zwar nicht, weil man denkt, anders sein zu müssen, sondern weil man es selber wirklich nötig hat. Sonst wirkt es schnell unglaubwürdig. Und ich denke, dass sich Musiker öfter mal darüber unterhalten sollten, wie unglaubwürdig sich etwas anfühlen kann, wenn man etwas macht, was man vorher noch nicht gemacht hat. Das fühlt sich oft fake an – ist es aber gar nicht; sondern halt nur ungewohnt.“

Gut – wie wird es denn nun mit dem Album weiter gehen?

„Das hängt natürlich von den Umständen ab“, erklärt Laura, „wir haben jetzt vier Songs aufgenommen und ich könnte weitere aufnehmen – muss aber einen neuen Produzenten finden und dann müssen wir auch sehen, wie es mit der Pandemie weitergeht. Ich möchte ja auch unbedingt ein klassisches Album aufnehmen. Meine Fans sollen eine LP bekommen, ich möchte mein Artwork bereitstellen und vielleicht auch ein paar Instrumentals, die man sich anhören kann, während man Poesie dazu liest. Ich möchte das anbieten wie eine ganze Flasche Wein. Ich werde immer dafür kritisiert, dass ich nicht genug Singles veröffentliche. aber ich sage dann immer: 'Sorry – das mache ich nicht'. Ich werde ein Album machen und das Album erzählt eine Geschichte und alles ist miteinander verwoben. Ich kann das momentan noch nicht genau abschätzen, aber ich denke, dass es Herbst werden wird, bis alles fertig ist.“

Words: Ullrich Maurer

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