MARLA & DAVID CELIA

April 2022 Interview - Ein Teil des Rauschens

Als interkontinental agierendes, deutsch/kanadisches Troubadour-Paar hatten es natürlich auch Marla & David Celia in der Pandemie nicht ganz einfach – zumal sie zu Beginn derselben dummerweise voneinander getrennt waren. So versuchten sie es dann erst ein Mal mit Stream-Konzerten – David aus dem gemeinsamen Wohnzimmer in Kanada und Marla aus dem elterlichen Badezimmer in Deutschland.

Immerhin war es dem Kanadier David Celia in der ersten Lockerungsphase dann doch noch gelungen, nach Europa einzureisen, so dass es dem Paar möglich war, im Herbst 2020 als einer der wenigen Acts sogar in Deutschland eine Club-Tour zu absolvieren. Als es dann allerdings daran ging, das nächste Album ins Auge zu fassen, war das wegen der dann wieder einsetzenden Reisebeschränkungen nicht ganz so einfach. Dank moderner Technik, einem Stapel neuer Songs und den handwerklichen Fähigkeiten David's war es dann aber doch möglich, das nun vorliegende neue Album „Indistinct Chatter“ - das das Paar nun auch wieder mit einer Tour in unseren Breiten zelebriert – hinzubekommen. Betrachtet man das Cover des Albums – das Marla und David in einer rätselhaften Collage zeigt, so ließe sich vermuten, dass neben der Psychedelia – stets subtiler Bestandteil des gemeinsamen Wirkens – nun auch noch der Surrealismus zum Weltbild des Paares gehört.

Ist dieser Eindruck richtig?

„Wegen des Cover-Bildes meinst Du?“ fragt David, „auf gewisse Weise ja, denn gerade erleben wir ja eine Zeit, in der die Welt sich so stark verändert, dass alles unheimlich schnell passiert und auch in wenig unwirklich erscheint.“

Bedeutet das, dass die Songs auf dem neuen Album alle in der letzten Zeit geschrieben wurden und diesem Umstand somit Rechnung tragen?

„Die meisten Songs entstanden 2020“, erläutert Marla, „wir haben uns 2 Wochen Auszeit in Spanien in einem Sommerhaus genommen und dort Songs geschrieben – und ein paar in Heidelberg und ein paar in Kanada. Im wesentlichen entstanden die Songs innerhalb eines halben Jahres nur zwei sind neueren Ursprungs.“

Hat sich denn etwas im produktionstechnischen Ansatz geändert?

„Nun ja, die Pandemie-Situation hat uns dazu gezwungen, alles selbst zu machen“, beschreibt David die Situation, „Marla konnte zeitweise nicht nach Kanada kommen, deswegen habe ich mich entschieden, die Drums, den Bass und die Gitarren schon mal einzuspielen. Normalerweise hätten wir das mit einer Band live im Studio gemacht. Ich bin dann mit dem Material nach Deutschland gekommen und wir haben dann zumindest die Vocals zusammen eingesungen. Zwei Songs - „Same Train“ und „Cuenta Conmigo“ haben wir dann sogar ganz zusammen gemacht. Als Marla dann endlich wieder nach Kanada durfte, hat sie dort alle Cello-Passagen eingespielt und wir haben dann dort auch alle Overdubs fertig gestellt.“

Das ist insofern erstaunlich, da sich gerade dieses Album tatsächlich anhört, als hätten es Marla & David mit einer kompletten Band eingespielt. Insbesondere druckvolle Songs wie der Opener „Clowns Everywhere“ und der Semi-Rock-Song „What If“ ließen das vermuten.

Mussten diese Umstände denn songwriterisch berücksichtigt werden?

„Nun ja – die Hälfte des Albums haben wir zusammen geschrieben und die andere Hälfte dann eben getrennt. Zu 25 % hat Marla dann ihre Songs mitgebracht und ich habe meine Ideen hinzugefügt – und umgekehrt war das genauso“, berichtet David, „es ist einfach eine Sammlung von Songs entstanden – und die Songs selbst haben dann bestimmt, in welche Richtung die Produktion gehen sollte. Wir haben dann einfach darauf gehofft, dass alles irgendwie zusammen passt. Da wir beide dieselben Einflüsse haben, war es unerheblich, ob wir uns über diese oder jene Idee immer gleich einig waren. Wir einigen uns dann meistens auf etwas, was wir beide vertreten können. Mein Eindruck war, dass das letzte Album eher folky und „lovey-dovey“ war – da wir ja in der frühen Phase unserer Beziehung waren. Bei diesem Album war es eher so, dass wir uns gesagt haben, dass wir über das, was in der Welt vor sich ginge singen sollten. Und wir wollte das Ganze etwas psychedelischer anlegen. Warum auch nicht? Marla mag sowas und ich ja sowieso immer. Als Produzent mag ich es nämlich, alles mögliche zu produzieren.“

Dabei ergab sich eine Vielzahl an Themen, die in Songs wie „Mother Nature“ und „Struggling With The Ying Yang“ ja einen fast schon politischen, auf jeden Fall aber philosophischen und vor allen Dingen universellen Charakter annehmen.

War das in dieser Form das Ziel?

„Ja, aber es geht uns auch um Ironie und versteckte Botschaften“, meint Marla, „wir haben uns gesagt, dass wir sicherstellen wollten, einen bestimmten Standpunkt zu vertreten und auf gewisse Weise politisch sein wollten, weil wir ja schließlich auch viele unterschiedliche Sachen in unserem Leben erfahren. Wir haben nichts Spezifisches angepeilt, aber wir wollten mit diesem Album etwas sozialkritischer sein. Und die versteckten Botschaften sollten dann vermitteln, wie wir denken.“

Wie haben Marla und David denn die aktuellen politischen Entwicklungen verfolgt?

„Wir mögen natürlich keinen Krieg“, meint David, „aber wir finden es schwer zu verstehen, warum dieser Krieg gerade jetzt ausgebrochen ist. Da gibt es vermutlich sehr viele Faktoren, die sehr viele Jahre zurückreichen. Ich persönlich bin mit dem Vorsatz aufgewachsen, mich politisch nicht zu sehr engagieren zu wollen – aber nun haben wir ja mit dieser Situation keine Wahl mehr in der Richtung. Denn nicht nur in der Ukraine gibt es Krieg, sondern auch in anderen Ländern - wo viele Konflikte auf einem noch größeren Level laufen. Die Ukraine-Situation dominiert ja gerade die Medien – und dann auch wieder nicht, denn man bekommt das ja sowieso mit. Wir müssen einen Weg finden, Spaltungen zu überwinden. Ich habe so etwas ein wenig kommen sehen, denn als die Pandemie losging, fragte man sich ja unweigerlich, was als Nächstes kommen würde.“

Tatsächlich hat man ja langsam das Gefühl, die Zeitlinie sich unaufhörlich beschleunige.

Bietet das auf der kreativen Seite auch Inspirationen oder Impulse?

„Nein, das denke ich nicht“, zögert Marla, „dass das irgend etwas mit Kreativität zu tun hat“. „Es gibt ja immer Probleme“, ergänzt David, „und diese können natürlich auch Inspirationen sein. Aber es gibt ja sowieso immer Dinge, über die man schreiben kann. Diese Situation ist aber einfach ärgerlich für alle.“ „Ja, die Situation hätte man zwar sehen können“, führt Marla aus, „aber als sie dann tatsächlich eintrat, hat sie mich wesentlich sprachloser zurückgelassen, als ich dachte. Nachdem unser Album ja schon im letzten Jahr erschienen ist und wir jetzt versuchen, ihm ein wenig Öffentlichkeit zu verschaffen, ist das natürlich genau der falsche Zeitpunkt für so etwas. Es könnte ja sogar sein, dass Dinge, die am Anfang der Pandemie noch Sinn machten als wir sie sagten, heutzutage falsch interpretiert werden könnten.“

Was ist denn dann die Herausforderung als Songwriter?

„Für mich ist das immer dieselbe Herausforderung in meinem Leben“, überlegt David, „ich schreibe nicht allzu viele Songs – aber wenn die Muse mich packt, dann schreibe ich und bin dann sehr glücklich – aber ich weiß anschließend nicht, wie ich es gemacht habe. Es kommt auf jeden Fall von einem magischen Ort – als Katalysator. Ich bin aber davon abhängig, dass so etwas passiert – und ich etwas zu sagen habe.“

Gilt das auch für Marla?

„Ja, für mich ist das ganz ähnlich – abhängig von dem, was alltäglich so passiert“, ergänzt Marla, „manchmal fühle ich mich danach, zu schreiben – und manchmal eben nicht. Wenn mich irgend ein Gefühl auf besondere Weise bewegt, dann komme ich darauf zurück, wenn ich einen Song schreibe. Manchmal weiß man, was man tut – und manchmal ist das intuitiv. Man schreibt dann einen ganzen Song am Stück.“ „Das ist ganz ähnlich mit der Musik“, fügt David hinzu, „wenn uns etwas einfällt, dann schreiben wir das nieder und haben so eine ganze Bibliothek von Ideen angelegt, die wir dann gemeinsam durchgehen, wenn wir Songs schreiben.“ „Wir planen so etwas nicht wirklich“, ergänzt Marla, „wenn uns etwas gefällt, dann nehmen wir es. Was wir allerdings auf dem neuen Album machen wollten, war es etwas psychedelischer anzulegen.“

Kurzum: Musik hat also auch für einen versierten Allrounder wie David Celia auch ein Eigenleben?

„Daran möchte ich gerne glauben“, bestätigt er, „die Musik kontrolliere ich dabei noch am ehesten. Am schwierigsten sind für mich die Texte. Wir mögen beide auch Instrumentalmusik – und wenn man Instrumentalmusik macht, dann sagt man mit Gefühlen auch irgendwie etwas aus – was man dann aber auf verschiedene Weise interpretieren kann. Wenn man hingegen etwas in Worte fasst, dann muss man sich festlegen.“

Inwiefern?

„Es sind herausfordernde Zeiten und es scheint, als legen viele Leute immer mehr Wert darauf, andere mehr denn je zu kritisieren“, erläutert Marla, „es gibt eine Menge vorgefasste Meinungen. Auf der einen Seite sollte man das ignorieren – aber ich habe immer Bedenken, dass das, was ich sage, falsch ankommen könnte. Ich fühle mich da in letzter Zeit fast eingeschüchtert.“

Das ist dann vermutlich auch der Grund, warum Marla – mehr als noch David – eine poetische Art der Sprache verwendet, richtig?

„Ja, vielleicht“, meint Marla, „wir mögen es, unkonkret zu bleiben. Es scheint, als verbergen wir unsere Botschaften auf diese Weise.“ „Oder sagen wir mal, wir verstecken sie vielleicht wie Ostereier“, wirft David ein, so dass jeder unsere Botschaften erst mal suche muss.“

Müssen denn Songs überhaupt Botschaften haben?

„Na ja – keine besonders schwerwiegende jedenfalls“, schränkt David ein, „es ist für uns kein Muss – aber manchmal tendieren wir dazu. Aber wie Marla sagt, bin ich auch vorsichtig mit dem, was ich sage. Ich mag das immer mit Bob Dylan vergleichen. Er scheint immer 'dieses' zu sagen, während er auch immer Wege findet 'jenes' zu sagen und dann weiß man nicht mehr so recht, woran man ist. Meinen Song 'Struggling With The Ying Yang' habe ich ein wenig in dieser Richtung angelegt. Es scheint, dass es uns gelungen ist, die Bedeutung des Songs auf verschiedene Weise auszubalancieren.“

Mit Ironie und Humor, richtig?

„Ja, Humor ist ein wichtiger Bestandteil in unserem Leben“, bestätigt David diese Vermutung, „wenn man die Sache nicht zu ernst nimmt, dann kann etwas Komisches schon ziemlich auflockern.“ „Humor ist auch das, worüber wir beide zuerst zusammengefunden haben“, fügt Marla hinzu, „das ist das, was uns beide Verbunden hat. In unserer Musik findet sich das dann natürlich auch wieder, denn wir möchten das ja auch vermitteln.“

Auf dem neuen Album gibt es ja mit „Cuenta Conmigo“ einen Song auf Spanisch. Auf ihrem Solo-Debüt-Album „Madawaska Valley“ hatte Marla ja mit „Marais“ bereits einen auf Französisch.

Wann gibt es denn mal ein Lied auf Deutsch?

„Das ist eine gute Frage“, erklärt Marla, „vielleicht auf der nächsten Scheibe.“

Letzte Frage: Was will uns denn der Titel des Albums - „Indistinct Chatter“ sagen?

„Weißt Du, was das bedeutet?“, fragt David, „wenn Du einen Film auf Netflix mit Untertiteln für Schwerhörige anschaust, heißt es manchmal 'indistinct chatter', wenn sich – etwa bei Partyszenen - im Hintergrund der Handlung Leute unterhalten, deren Gespräche man nicht verstehen kann. Mir gefiel diese Idee sogleich – mit Bezug auf unsere Botschaften. Wir wollten ja nicht predigen. Stattdessen sollten das, was wir sagten, klingen, wie ein undeutliches Gespräch im Hintergrund.“ „Das ist das, was wir vorher schon gesagt haben“, ergänzt Marla, „wir wollten unsere Botschaften auf gewisse Weise verstecken, sie sollten aber schon da sein. Wir wollten nicht anmaßend in Bezug auf unsere Meinungen sein – aber wir wollten sie eben auch zum Ausdruck bringen. Unsere Meinung ist wie ein Bestandteil des Hintergrundrauschens – aber wir wollten eben auch unser eigenes Rauschen hinzufügen … nur halt eher undeutlich.“

Zweifelsohne ist das Marla und David mit dem Album „Indistinct Chatter“ dann auch gelungen.

Words: Ullrich Maurer

Photo: Ullrich Maurer

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