TARA NOME DOYLE

Januar 2022 Interview - Alles oder Nichts

Als Tara Nome Doyle am „Vorabend“ der Pandemie ihr Debüt-Album „Alchemy“ veröffentlichte, hätte sie sich vermutlich auch nicht vorstellen können, dass diese zwei Jahre später immer noch andauern würde. Dennoch ist ihr nun vorliegender, zweiter Longplayer keine typische Pandemie-Scheibe geworden. Denn zum Einen kam Tara selbst als Live-Performerin mit einer fast abgeschlossenen Tour, mehreren Festival-Engagements und Auftragsarbeiten ganz gut durch die diversen Lockdowns – und zum anderen gehört Tara nicht zu jener Art von Songwriter-Kollegen, die sich mit bloßen Storyteller-Songs an der Realität entlanghangeln. Ganz im Gegenteil: Tara's Songs sind zumindest stets vielschichtig und komplex – und gerne auch ein mal ein wenig unwirklich, träumerisch und versponnen.

Das liegt zum Einen daran, dass sie sich musikalisch auf eine eigenwillige Mischung von Art-, Kook- und Prog-Pop eingeschossen hat und andererseits auf der inhaltlichen Seite nichts ohne philosophischen, konzeptionellen und poetischen Unterbau macht. Besonders die Theorien des Schweizer Philosophen C. G. Jung haben ihr es angetan, so dass sie dessen Konzept von Persona (Erscheiungsbild) und Schatten (die dunkle Seite des Ich-Bewusstseins) konsequent auf die von ihr besungenen oder performten Charaktere anwendet. Das ist auch bei ihrem nun vorliegenden, zweiten Album „Værmin“ so. Im englischen Sprachraum bedeutet „Vermin“ so etwas wie „Ungeziefer“ - und im skandinavischen heißt es „werde mein“ (womit Tara auf ihre Irisch/Norwegisch/Deutschen Roots anspielt). Und so schrieb Tara eine Songsammlung um Charaktere, die oft genug – und nicht immer nur in metaphorischer Hinsicht - aus der Welt der Krabbel- und Kriechtiere stammen.

Was fand Tara denn so faszinierend an den besungenen „Creepy-Crawlies“?

„Was ich dabei interessant fand, war die Idee, dass diese Tiere bei Menschen unerwünschte und ekelerregende Assoziationen auslösen“, meint Tara, „und das passt ganz gut, zu dem Bild der beiden Charaktere in meiner Geschichte, von denen einer den Schatten-Aspekt des anderen darstellt und dass das dann repräsentiert, was wir in uns selbst als ungewollt und abstoßend empfinden und was wir unterdrücken wollen. Da war dann der direkt der Bezug für mich da, dass diese Tiere ein Sinnbild für so etwas sind.“ Das bezieht sich dann auch wieder auf die Philosophie von C. G. Jung, die unter anderem auch die Basis für Tara's erstes Album „Alchemy“ bildete.

Musikalisch arbeitet Tara ja grundsätzlich mit dem Klavier als Leitinstrument. Auf dem neuen Album ist aber öfter eine Orgel zu hören. Hat das auch einen konzeptionellen Hintergrund?

„Ja“, bestätigt Tara, „das ist zwar ein analoger Sound - aber keine echte Orgel. Die Sound kommen von einem alten Casio-Tone-Keyboard. Das hatte einen fetten Orgel-Sound. Und ich mag so etwas. Es gibt kaum etwas, dass den Sound einer fetten Orgel von der breite her toppen kann. Ich fand, dass ein wenig so klang, wie auf 'Down With You', dem ersten Lied, das ich veröffentlicht habe, auf dem es auch Klavier, Bass und eben Orgel gab. Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass das produktionstechnisch für mich die Haupt-Elemente sind. Auch weil die Orgel immer so eine Weite schaffen kann. Das ist sehr dramatisch.“

Und es ist auch sehr pastoral und liturgisch – auf jeden Fall erzeugt es aber eine andächtige Stimmung.

„Ja – das stimmt“, bestätigt Tara, „ich war als Kind ja auch immer regelmäßig in der Kirche. Unabhängig davon, ob man an Gott glaubt oder nicht, sind die ganze christliche Kirche, die Rituale, die Gebäude und die Instrumente so gemacht, dass es immer gleich überirdisch wirkt – was einen grundlegend erschüttern oder berühren kann. Und deswegen ist das für mich immer wieder auch eine Referenz, diese über tausend Jahre benutzten und bewiesenen Mittel zur Kommunikation immer wieder aufzugreifen. Das fühlt sich für mich ganz natürlich an.“

Das spiegelt auch den Eindruck wieder, den man von Tara's „Hall Of Mirrors“-Produktion – einer Auftragsarbeit vom letztjährigen Pop-Kultur Festival - mitnehmen konnte. Dort spielten Tara und ihr Ensemble die Songs in einem theatralischen, nebelverhangenen, nur spärlich beleuchteten, nachtschattigem Bühnenwald aus Spiegeln.

Was hat sie denn veranlasst, langsam ganz zum rabenschwarzen Nachtschattenengel zu werden?

„Ich glaube dass das, was ich damals - und besonders auch mit diesem Album jetzt - ausgelebt habe, für mich mit einer bestimmten Emotionalität, Dramatik und Theatralik verbunden ist“, führt Tara aus, „man ist ja im Endeffekt auch eine Schauspielerin, wenn man auf die Bühne geht. Diese Gefühle – sei es jetzt frisch verliebt oder überglücklich oder super-traurig – muss man ja innerhalb einer Stunde durchleben, fühlen und wiedergeben können. Und das ist etwas, was ich total gerne mag am Songwriting und am Performen. Ich glaube, dass ich da einfach noch ein bisschen mehr in diese Richtung gehen wollte dieses theatralische zulassen zu wollen. Zuvor hatte ich öfter Probleme, aufzutreten und musste den Bann für mich und das Publikum dadurch brechen, dass ich zwischen den Songs spreche und rede. Aber in diese Dramatik und diese Düsterheit – speziell in einem geschlossenen Raum wie bei 'Hall Of Mirrors' - kann ich mich indes sehr gut hineinsteigern und das mehr wie einen Theaterauftritt betrachten. Es ist ja in der Kunst oft so, dass man etwas überdeutlich darstellt um klar zu machen, dass die präsentierten Emotionen vom Zuhörer auch nachvollzogen werden können.“

Was ist denn für Tara die größte Herausforderung als Songschreiberin?

„Ich glaube mich nicht zu langweilen und mich nicht zu nerven“, lacht Tara, „das ist für mich nämlich ein ziemlich kleiner Bereich in dem ich mir sage: Das wird mir entweder zuviel und das will ich nicht so singen oder aber dass es so langweilig ist, dass nichts für mich passiert. Manchmal habe ich Episoden, wo ich genau die goldene Mitte treffe – aber manchmal liege ich auch rechts und links daneben, wo dann nichts daraus wird.“

Ist es denn nicht auch eine Herausforderung, die jeweiligen Konzepte zu finden und miteinander zu vequicken?

„Ja“, bestätigt Tara, „eine andere Herausforderung ist für mich zu überlegen, worüber ich schreiben will und was mich inspiriert. Viele Leute sagen ja, dass es wichtig wäre, sich jeden Tag ans Klavier zu setzen und Songs zu schreiben, aus denen man dann lieber welche auswählt, als gar nichts zu machen. Ich habe aber persönlich für mich festgestellt, dass mich das depressiv und aggressiv macht, wenn ich versuche, mich ans Klavier zu setzen, wenn ich nicht dazu in der Stimmung bin. Ich habe dann für mich entschieden, dass ich mich wirklich nur ans Klavier setze, wenn ich mich danach fühle – und mir dann auch nicht zu viele Sorgen zu machen, wenn ich diesen Impuls dann mal längere Zeit nicht verspüre. Es gibt ja auch noch genügend andere Sachen zu tun. Ich muss mir nur klar machen, dass das dann auch so in Ordnung ist. Dafür gibt es dann aber auch Phasen in denen ich ganz viel schreibe und alles auch sehr schnell geht. Ich mache das ein bisschen so nach dem Motto 'Alles oder Nichts'.“

Und was inspiriert Tara musikalisch?

„Ich glaube ich bin eher von einzelnen KünstlerInnen als von Genres oder Stilen inspiriert. Der Anlass ist immer eine sehr starke Emotionalität und die Tatsache, dass sich jemand nicht versteckt oder verletzlich zeigt. Wenn ich aber ein Genre nennen müsste, das ich als Grundinspiration betrachte, dann würde ich Art-Pop sagen. Ich merke schon, dass ich mich zu Leuten hingezogen fühle, die Pop-Musik machen, die mit Konzepten arbeitet. Benjamin Clementine zum Beispiel. Der spielt Klavier und agiert sehr theatralisch. Ich mag Grimes und meine große Liebe von Anfang an war Susanne Sundfør. Ich weiß nicht, ob das auch Artpop nennen kann, aber das ist, was ich liebe. Wenn ich dann jemand höre, den ich toll finde, dann ist es aber nicht so, dass ich versuche denselben Stil zu übernehmen – aber ich höre, was die gemacht haben und das begeistert mich dann so, dass ich mich gleich hinsetzen will, um auch gleich einen Song zu schreiben. Oder ich versuche, in einer bestimmten Stimmung zu schreiben, die mir gefällt.“

Hat Tara denn schon eine bestimmte Vorstellung davon, wie es mit dem Live-Business weiter geht?

„Das sieht so aus, dass es tendenziell erst Mitte des Jahres geht. Es ist sehr schwierig für die Live-Branche. Es ist auch ein komisches Gefühl für mich, denn ich hatte immer schon ein schwieriges Verhältnis zu diesem Tour-Leben, denn das strengt mich einfach extrem an von diesem Lebensgefühl her. Einerseits entspannt mich diese Situation jetzt auch, weil ich weiß, dass dieser Stress jetzt erstmal nicht wieder kommt – andererseits finde ich es auch traurig, weil mir die letzten Auftritte bei Pop-Kultur noch mal einen ganz anderen Blick auf das Potential von Live-Auftritten gegeben hat und ich weiß, dass ich das für die nächste Phase absehbar nicht ausleben können werde.“

Nun – davon ist sie ja leider nicht alleine betroffen.

Words: Ullrich Maurer

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