ROO PANES

März 2023 Interview - Ehrlich währt am Längsten

„The Quiet Man“ hieß das letzte Album des britischen Songwriters Roo Panes – und obwohl der Mann aus Dorset gerade auf diesem Album sich musikalisch etwas von seinen ursprünglichen Folk-Roots löste, hätte der Titel des Albums kaum passender für das Lebensmotto Roo's sein können. Denn auch auf dem nun vorliegenden, vierten Album „The Summer Isles“ bleibt sich Panes treu und kommt auch wieder ganz ohne laute Töne aus. Das hat in diesem Fall aber auch einen ganz spezifischen Hintergrund. Denn anstatt sich in seiner neuen Songsammlung mit den hektischen Irrungen und Wirrungen der Jetztzeit auseinanderzusetzen, machte Panes Roo nach der langen Zeit der Lockdowns Nägel mit Köpfen und ließ sich von einer Reise zu der abgelegenen schottischen Insel Mull inspirieren. Dass das ganze Album dann dennoch kein entspanntes Sommer-Album geworden ist, lag daran, dass Roo den Titel des Albums bereits zur Hand hatte, bevor er überhaupt von der Existenz der dort besungenen „Summer Isles“ wusste. Aber das lassen wir ihn besser mal selber erklären.

Wie ist die neue Songsammlung eigentlich entstanden? Das Album heißt ja „The Summer Isles“. Roo erwähnt in den Songs des öfteren Schottland, Inseln oder seinen Urlaub. Hat das irgend etwas mit der Pandemie zu tun – im Verlaufe derer das neue Material ja entstanden sein muss?

„Das ist eine interessante Frage“, überlegt Roo, „denn was mir klar geworden ist, ist dass ich über Dinge schreibe, die um mich herum passieren. Aber wenn man das mal auf die Fotografie überträgt, dann bin ich kein Werbe-Fotograf, sondern ein Dokumentar-Fotograf. Wenn man das auf meine Songs überträgt, dann ist das ähnlich. Ich schreibe über das, was mir passiert und packe das in Worte. Nun ist das aber so, dass während des Lockdowns nicht viel passiert, über das man schreiben könnte. Also sucht man in seinen Erinnerungen nach am Ende zehrt man dann sehr schnell von der Nostalgie. Und irgendwann fühlte ich dann echt das Bedürfnis, mal wieder ein kleines Abenteuer erleben zu können. Nun ist das so, dass ich ein wenig 'Schottisches Blut' habe und immer schon mal nach Schottland reisen wollte. Ich sagte dann zu meinen Band-Kumpels: Lass uns mal nach Schottland fahren und dort nach Inspirationen suchen. Wir haben diese wunderschöne Hütte gefunden, von der man die ganzen schottischen Inseln überblicken konnte. Wir haben dort unsere Instrumente aufgebaut und uns ein Studio eingerichtet. Das war tatsächlich ein bisschen wie Urlaub – die Idee war aber, wieder ein Fenster der Inspiration zu finden.“

Daher stammt dann also auch der Titel des Albums?

„Also das ist eine verrückte Geschichte“, erklärt Roo, „etwa vier oder fünf Songs in meiner Karriere, haben sich mir über ihre Titel offenbart – bevor ich eigentlich wusste, wovon sie handeln sollten. Einer davon hieß etwa 'Land Of The Living'. Ich bin einfach mit diesem Gedanken aufgewacht und dachte mir, dass ich einen Songs daraus machen sollte. Und 'The Summer Isles' ist mir eines Tages auf der Terrasse eingefallen. Ich dachte mir damals: 'Wo kommt das denn her?' und habe dann erst mal den Titel gegoogelt. Da habe ich dann gesehen, dass es im Westen Schottlands Inseln gibt, die tatsächlich als 'Summer Isles' bezeichnet werden. Ich hatte also erst den Titel – und dann den Song geschrieben. Das war wie ein kleines Abenteuer, das ich durch eine sich íns Unbekannte öffnende Tour betrat. Sollte ich mich da überhaupt hineinwagen? Ich habe mich dann entschlossen dem Geheimnis auf eine kreative Art zu trauen.“

Wenn man sich als Songwriter auf solche Experimente einlässt, dann muss man ja ein gewisses Vertrauen in sein Unterbewusstsein haben, oder?

„Ja, das habe ich auch“, sagt Roo, „ich denke, dass ich am Anfang meiner Laufbahn mehr Songs in dieser konzeptionellen Richtung geschrieben habe. 'Little Giant' etwa. Ich musste auch erst mal herausfinden, worum es da ging. Das ergab dann weniger eine Story als eine Ansammlung von Erkenntnissen und Bedeutungen. Dann aber habe ich festgestellt, dass diese Art von Songwriting emotional ganz schön ermüdend sein kann und habe einen Song namens „I Just Love You“ geschrieben, der jetzt auf der LP zu finden ist und ein geradliniger, einfacher Liebes-Song geworden ist. Ich habe mit also beigebracht, dass Einfaches auch schön und gut sein kann. Auf diesem Album gibt es also einen Mix aus beiden Ansätzen. Ich mag Songs, wo jede Zeile drei verschiedene Dinge aussagt und man mit jedem Satz eine Illusion aufbaut. Man sagt dann etwas bestimmtes in einem Song – aber was der Zuhörer mitnimmt, ist sehr viel mehr. Auf der anderen Seite mag ich auch geradlinige Songs mit einer konkreten Aussage.“

Bezieht sich Roo in seinen neuen Songs auf Dinge von früher, über die er in der Pandemie nachgedacht hat?

„Um vielleicht neue Dinge zu entdecken?“ fragt er sich selber, „die Sache ist die: Manchmal zieht das Leben ja einfach an Dir vorbei, ohne dass Du die Zeit hast, alles gleich zu verarbeiten. Einige Teile entstanden schon vor der Pandemie, aber das meiste entstand währenddessen. 'Remember Fall In Montreal' entstand schon vor der Pandemie in einer Zeit, in der alles noch aktiv möglich war – was uns damals natürlich nicht bewusst war. Auch 'Suburban Pines' handelt von Zeiten, über die wir damals nicht groß nachgedacht haben. Es sind also Dokumente einer Zeit, in der ich Dinge machte – aber nicht darüber nachdachte. Ich bin aber mit diesem Zustand ganz zufrieden.“

Geht es Dan denn nicht um den therapeutischen Aspekt seiner Musik?

„Nein - ich strebe keinen therapeutischen Aspekt an“, erklärt Roo, „man lernt natürlich ein wenig über sich selbst als Songwriter. Ich dokumentiere aber einfach, was ich erlebe – und versuche nicht, einen bestimmten Zweck damit zu verfolgen. Natürlich hofft man, dass seine Songs wohlwollend aufgenommen werden, aber ich schreibe sie nicht deswegen. Jemand sagte mir mal: 'Das Intelligenteste, was Du sagen kannst, ist etwas, mit dem Du Dich auskennst – das persönliche Erleben'. Ich lege es also nicht darauf an, alles allgemein verständlich zu formulieren. Einigen wird es hoffentlich trotzdem gefallen und einige werden es auf manchmal überraschende Weise interpretieren. Das ist mir aber eher egal.“

Was ist denn die liebste Tugend als Songwriter für Roo Panes?

„Das ist eine wirklich gute Frage“, überlegt Roo, „ich würde sagen 'Schönheit'. Das mag sich komisch anhören – aber 'Ehrlichkeit' ist ein Teil davon – weil sie ein Teil von allem ist. Ich fühle aber, dass wir aufgrund des ganzen Drucks der modernen Welt zu oft an uns selbst denken. Viele Musik versucht, sich selber zu verkaufen – aber ich denke, dass Musik eine Art Medizin für mich und Dich und den Hörer sein kann. Und ich bin der Meinung, dass es eine schönere Art zu denken oder Dinge zu betrachten gibt als die, die wir uns Tag für Tag erlauben. Ich liebe den Prozess, eine Möglichkeit zu finden, eine schönere Sichtweise zu ermöglichen. Das hat dann auch mit dem Klang zu tun. Ich versuche, eine sehr ehrliche Weise verstanden zu werden. Eine Melodie kann Dich an einen Ort transportieren, der zwar schön ist – aber keine Phantasie, sondern eine authentische Betrachtungsweise der Welt. Das ist die lange Antwort – und eine schwierige obendrein.“

Sollte Musik denn nicht ein wenig größer als das Leben sein?

„Woah“, meint Roo, „das dachte ich bei meinen ersten Alben auch immer. Ich hatte mir immer gesagt; Okay – wenn Du das machen willst, dann brauchst Du erst mal ein Konzept – weil ein Konzept einfach etwas Größeres repräsentiert. Aber bei diesem Album geht es ja nur um kleine, persönliche Geschichten und Anekdoten. Und da dachte ich mir dann, dass diese doch als solche auch ganz schön sein könnten, wenn ich sie einfach aneinanderreihe. Vielleicht muss ja nicht immer alles größer als das Leben sein. 'Suburban Pines' ist in dieser Hinsicht ganz schön normal. Es geht um ganz ordinäre Dinge wie Karusselle und Supermärkte. Ich habe gar nicht erst versucht, sowas größer zu machen als es war. Ich habe nur darüber gesprochen. Die letzte Zeile des Songs handelt dann von der 'Türschwelle des Ruhms zu den Geschichten des wahren Lebens'. Was ich damit sagen will, ist, dass die wahre Magie in der gewöhnlichen Geschichte des alltäglichen Lebens zu finden ist. Ich frage mich also, ob nicht eine Menge wirklich schöner Dinge sich direkt vor unserer Nase befinden – wir aber nicht immer darauf achten.“

Gibt es denn schon Pläne für die Zukunft?

„Ja, ich würde gerne mal Musik für Filme schreiben“, erklärt Roo, „ich möchte auch mehr visuelle und mehr instrumentale Sachen machen. Das ist ein Gebiet, das ich noch nicht erforscht habe. Größere Ambitionen und Visionen habe ich aber eigentlich nicht. Es ist ja sicherlich für jedermann schön, wenn seine Arbeit geschätzt und anerkannt wird und ich hoffe, dass das auch für mich so weitergeht. Ich will aber keinen Riesen-Erfolg anstreben, sondern ich will der beste Songwriter sein, der ich sein kann. Ich nehme die Sachen Schritt für Schritt. Als Künstler bin ich dankbar dafür, wenn mir Songs einfallen – denn darauf bin ich angewiesen. Ich hoffe natürlich, dass auch das weiter geht. Ich will mir aber die Sache nicht mit allzu großen Erwartungen kaputt machen.“

Words & Photo: Ullrich Maurer

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