JAMES YORKSTON & NINA PERSSON

13.05.2023 Konzert in Bonn und Albumreview

Es ist ein berührender und intensiver Konzertabend an diesem Freitagabend. Auf dem neuen Album "The Great White Sea Eagle" ist das Second Hand Orchestra dabei, in Bonn gibt es die Essenz. Die bekannte Ex-Cardigans-Sängerin Nina Persson hat für James Yorkston ihre selbstgewählte Musik-Auszeit unterbrochen und interpretiert sein neues Songmaterial mit erkennbarer Lust und gewohnt klarem Vortrag, Yorkstons mäandernden Bariton gleichermaßen erdend wie formend. Yorkston sitzt meist am E-Piano; die Lieder sind scheinbar einfach, offenbaren jedoch bei genauerem Zuhören textliche und kompositorische Widerhaken.

Das Piano passt zu diesen schönen kleinen, alltagspoetischen Songs, auch wenn man Yorkston in dem Gitarrenpart des Konzerts anmerkt, dass er sich dort doch noch etwas mehr zuhause fühlt. Weitere Konzerttermine im Herbst!

Wen es interessiert: im Anschluss meine Kritik des Albums, die sehr leicht bearbeitet auch im jW- Feuilleton erschien, und unbedingt auch dieser Buchtipp: James Yorkston, The Book of the Gaels: lebensweise, lustig, tragisch, poetisch, voller Menschenliebe. Der Mann kann schreiben, große Romane und kleine, große Songs.

James Yorkston, Nina Persson and The Second Hand Orchestra - The Great White Sea Eagle (Domino)

"Dieser Song wird die Welt nicht ändern. Es ist einfach ein hübsches kleines Lied über einen liebenswerten alten Mann." So sagt James Yorkston am vergangenen Dienstag, zusammen mit Nina Persson beim radio eins - Loungekonzert, einen Song seines gerade erschienenen neuen Albums an. "I don't think it'll change the world, but it's a lovely little song about a lovely old man."

The Great White Sea Eagle heißt das Album, und der Song heißt Keeping Up With The Grandchildren, Yeah. "Oh, and I put 'Yeah' at the end because I'm aware that we are punk rockers, so: YEAH! at the end, you know, just so: it's okay, there's still punks yeah yeah. Yeah..."

Das Yeah im Titel steht für den Punk-Spirit, der das Songwriting James Yorkstons seit nunmehr gut 20 Jahren so schillernd und originell hält, es steht aber auch für den leisen Humor, der seinen Liedern - und seinen Ansagen - innewohnt.

52 ist Yorkston, 93 war der alte Mann in dem Song, sein Schwiegervater, der ihm einen Schreck einjagt, als er beim gemeinsamen Spaziergang plötzlich stolpert und stürzt. Wie ein Krebs in einer Welle. Wie ein Schauspieler, der einen alten Mann spielt, denkt sich der Erzähler. Aber er ist kein Youngster mehr, kein Schauspieler, der einen älteren Mann spielt, denkt und singt Yorkston dann. Sie gehen heim. Nun wandeln sich die Gedanken nochmals, vielleicht ist ja doch alles "fine"? "He's just an actor playing an older man / Keeping up with the grandchildren yeah, Ah-Oooo". Vielleicht ist ja gar nichts passiert?

Das Lied ist klein, wie Yorkston sagt, und wie alle seine Lieder groß zugleich. Ein ganzes Leben, vom Kind bis zum Greis, und die ganze Bandbreite von Gefühlen zwischen Resignation und Hoffnung, Stillstand und Aufbruch hält Yorkston in einfachen, der Natur und einfachen Begegnungen abgeschauten Bildern in der Schwebe. Es geht überhaupt viel um Kinder auf diesem Album, um das Meer, um den offenen Blick, um die Verletzlich- und Vergänglichkeit. An Upturned Crab heißt noch so ein Lied, in dem Yorkston, wie so oft auf Musikertour, von seinem Kind hört, dass es am Strand einen auf dem Rücken liegenden Krebs gefunden hat. Wieder so eine unscheinbare Begebenheit, die den Sänger aber zu einer schmerzlichen Selbstreflexion veranlasst: "I made a life on the road / And I thought I was doing grand / But the gold remained at home, and I missed watching you grow / How I missed watching you grow / La-da-da-da / Today you say you found an upturned crab, an upturned crab / How unfortunate I was to have missed that."

A Sweetness in You beklagt den Verlust eines Freundes. (Es handelt sich hier wohl um Scott Hutchinson von der schottischen Band Frightened Rabbit.) Oft denkt er an ihn, wenn er aufs Meer blickt. Und da er an der Küste lebt, ist das sehr oft. Doch soll er seinen Kindern beibringen, dass nicht alle für das Leben gemacht sind? "And do I tell my childen that life isn't for everyone? / No of course I do not tell them that, just yet". Ja - aber...jetzt noch nicht.

Im Frühjahr 2021 begann Yorkston mit der Arbeit an dem neuen Album. Anders als sonst griff er nicht zur Gitarre, sondern komponierte und schrieb am Piano, besonders schön zu hören auf besagtem radio eins - Konzert, sicher auch demnächst bei drei Live-Auftritten im Frühjahr, veranstaltet von Berthold Seliger. Dazu schaute er aus seinem Studio im Fischerdorf Cellardyke im schottischen Fife aufs Meer. Das schwedische Second Hand Orchestra, schon bei dem Vorgängeralbum Wide Wide River beteiligt, ließ sich auf die Songideen ein, Nina Persson (früher Cardigans - Sängerin) singt so hell und klar, wie es diese Texte und Melodien brauchen. Yorkstons spröde-schöner Bariton erdet das luftige Klangbild, die beiden klingen ganz wunderbar zusammen, gerade weil die Stimmen so unterschiedlich sind und auch im Duo ihre Eigenständigkeit behalten. Das Ergebnis sind Lieder, so frisch und klar wie die Wintersonne, schreibt Nick Hasted im UNCUT: "songs crisp as winter sunlight."

Nein, diese Lieder werden die Welt nicht ändern. Es sind lovely little songs about lovely people, über Krebse, Kinder, Freunde, Trauer, Düsternis, kleine Freuden. Über den Seeadler, der jeden Moment wieder zu sehen sein könnte. Über die großen, kleinen Momente, die eine ganze Welt ergeben können.

Words: Frank Schwarzberg