DANGER DAN

31.08.2023 Bochum, Zeltfestival

Bis Anfang 2022 hatte ich noch nie Musik von Danger Dan (bürgerlich Daniel Pongratz) geschweige denn seiner Antilopen Gang gehört. Das kommt davon - eine weitere späte Lektion über Scheuklappen; die Welt des Hip Hop, aus der Pongratz kommt, passte nicht in meine 'heile' Songwriting/Roots/Americana/Indie - Welt, gehörte einfach nicht dazu.

Und dann der 01.01.2022, ein Kurzurlaub am Meer in Holland, abends Radio übers Internet, auf radio eins haben sie schon den ganzen Tag die Jahresfavoriten des Publikums gespielt. Eine gute Mischung, immer mal wieder ist was für mich dabei. Und dann, die DJs hatten es schon den ganzen Tag über angedeutet: Danger Dan on top. Platz 3 Lauf davon. Platz 2 Eine gute Nachricht. Platz 1 Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt. Witzig, originell, gefühlvoll, mit Anklängen an Kurt Tucholsky (im Text von ...Kunstfreiheit...) und Randy Newman (Pianomotiv Lauf davon). Nur Stimme und Piano, aber melodisch und rhythmisch nicht langweilig. Georg Kreisler steht auch Pate. Und gegen die antifaschistische und autoritätskritische Grundhaltung lässt sich eh nichts einwenden. Die ...gute Nachricht ist auch ein wirklich schönes Liebeslied. Ein klasse Album, dieses Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt, welches ich mir dann natürlich verspätet zulege. Und mich, 20 Monate sind seither vergangen, auf das Zeltfestival-Konzert am Kemnader Stausee, zwischen Bochum und Witten, freue. Die Ruhr fließt durch, es ist schön dort, nur am 31.8. schüttet es wie aus Eimern. Die Zeltstadt mit ihren überteuerten Ständen ersetzt die Weite der Natur eh durch die Enge des Kommerzes, also nur schnell ein Fiege und ab ins Zelt.

Der mit 3.000 Leuten gefüllte Schlauch bereitet Pongratz einen enthusiastischen Empfang, bejubelt Textzeilen, Anmoderationen und ihn als Typ. Ein früher Höhepunkt ist die Erinnerung an den von den Nazis verfolgten und 1941 ums Leben gekommenen Hans Drach; Danger Dan spielt das vertonte Gedicht seines Sohnes, Mein Vater wird gesucht. Der Einbezug des Streichquartetts um Jonathan Heck nach etwa einem Viertel des Konzerts ist ebenfalls eine tolle Idee; die auf dem Album ganz dezent eingesetzten atmosphärischen Streicher führen jetzt auf der Bühne ein exaltiertes Eigenleben; mit Virtuosität und Spielwitz und schön laut bereichern die jungen klassikgeschulten Musiker das Klangbild und haben Spaß am Austoben.

Nicht schön laut, aber zu laut ist indes der Gesamtsound im Zelt eingestellt. Die Zwischentöne, die mir auf dem Album so gefallen, kommen so nicht zur Geltung. Der Klavieranschlag ist sehr hart, auch das ist auf der Platte variabler und runder. Da das Publikum ihm eh aus der Hand frisst, könnte Pongratz sich stimmlich und in der Dynamik ruhig immer wieder zurücknehmen; die Tourstrapazen (Bochum ist eins der letzten Konzerte) und der fast 2jährige Medienmarathon nach dem sensationellen Erfolg des Albums fordern da womöglich ihren Tribut, er shoutet und hämmert. Oder ist zu laut eingestellt, oder beides.

Für die Fans der ersten Stunde gibt es etwa nach der Hälfte noch einen Hip Hop - Teil, begleitet vom Quartett (leider nicht alles gut zu verstehen), bevor es für das letzte Viertel noch einmal ans Piano und zu den ...Kunstfreiheit... - Songs geht. Das Konzert endet mit der Zugabe Tesafilm - leider einem der etwas schwächeren Lieder des Albums, textlich und musikalisch plätschert es so ein bisschen dahin. Wie gesagt, wirklich kein schlechtes Konzert. Aber als ich danach versuche meine Stimmung zu verstehen, kommt mir der alte Hanns Dieter Hüsch - Spruch in den Sinn: "angenehm enttäuscht", so gehen wir 'raus in die Nacht.

Words: Frank Schwarzberg
Photo: Fynn Graebe