JEFFREY MARTIN

JEFFREY MARTIN

12.01.2024 Middelburg, Kaffee 't Hof

Der Morgen danach.

Im ROST-Café, bekannt für den besten Kaffee Middelburgs und seine gute Musik, läuft Jeffrey Martin über die Anlage. Am Vorabend hatte er in der Musikkneipe Kaffee 't Hof gespielt, und am Morgen im ROST seinen Kaffee getrunken. Dort wurde er von einer Konzertgängerin erkannt, und die Besitzerin machte seine Musik an. Irgendwann sind nur noch die Besitzerin, die andere Konzertgängerin und ich da. Die Wirtsfrau setzt sich mit einem Buch in eine Ecke. Möchte ich diesen Moment mit meiner 2. Bestellung stören? Die Kaffeemaschine soll ein andermal hissen, für ein paar kontemplative Minuten gibt es nur den Raum, Ruhe und Jeffrey Martin. Glück.

Der Abend zuvor.

21:18. Wolfgang Welt wäre jetzt schon betrunken und womöglich aus der Kneipe geflogen. Er hätte über seine Vorstellung von einem Jeffrey Martin - Konzert geschrieben. Vielleicht hätte er noch die Soundprobe mitbekommen, den Höhepunkt des Abends bisher, vor nunmehr 40 Minuten. 2 Strophen Out On the Weekend von Neil Young. Großartig, die Gitarre und die Stimme. Un nu?

Ich glaube, es gibt noch ein Vor-Duo, zumindest haben die auch eine Probe gemacht. Man kann den beiden von der Vorband, Jeffrey Martin und dem obercoolen Pubbesitzer (Mittfünfziger mit Tatoos und Powerbrille) beim Hin- und Herlaufen und Sitzen zusehn. Gut, Martin ist hier eher der ruhende Pol und sitzt geduldig auf seinem Stuhl, bis auf eine kurze Frischluftpause.

21:25. Vorduo täuscht Anfang an, läuft aber dann wieder hin und her.

21:30. Beginn Vorband.

21:58. Erst fangen sie nicht an, dann hören sie nicht auf.

22:15. Vorband Ende.

An dieser Stelle sollte ich anfügen, dass es Freitagabend ist, die Kneipe hinter dem Raumteiler, aber leider auch an einigen Tischen im Raum mit der Bühne, voll ist, und laut. Das ist also, wenn man denkt, geh ich mal so 20.15 zum Konzert, schwer erträglich.

22:30. Jeffrey Martin fängt an. Ich stelle mich nach vorne, um den Rest auszublenden.

22:32 - Ende. Der Rest ist ausgeblendet. Martin singt seine existentialistisch-philosophischen Hymnen mit geschlossenen Augen. Er ist schon einige Jahre als SingerSongwriter aktiv, davor war er Lehrer an der High School. Sein neuestes Album heißt Thank God We Left The Garden und hat alle Lobeshymnen, die endlich in der einflussreichen briritischen Musikpresse kommen, verdient.

Der Garden, um den es geht, ist der verklemmte Garten Eden, in dem Erfahrungen als Sünde gelten. Martin singt mit raumgreifendem Bariton; seine Gitarrenarbeit umspielt die Songs, die dadurch zu jeder Zeit Aufmerksamkeit erzielen und fesseln. Einlassen drauf muss man sich freilich schon. Der Künstler ist durchdrungen von den Geschichten, die er vorträgt, er wippt, federt, geht mit.

Seine Songs sind textlich große und einfache Wortkunst. Paper Crown z.B. kritisiert oberflächliche Weltbetrachtung und Aktivität, There Is A Treasure ist eine faszinierend dialektische Reflektion über Vergänglichkeit und Schönheit zugleich. Dabei bleibt Martins Sprache immer bildhaft und zugänglich und rührt an Innerstes aus unseren Träumen.

Große Kunst also in Middelburg, ein bisschen verschenkt in diesem Ambiente. Martin nimmt's professionell. Und sowohl für den Künstler als auch den Kritiker gibt es ja noch den Morgen danach, den Kaffee, die Ruhe und die Musik. Priceless.

Words: Frank Schwarzberg
Photo: Eddy Taatgen, vom Gig in Utrecht (13.01.2024)